„King without a Crown“ („König ohne Krone“), drama The screenplay, based upon the book of the same title, tells the story of Albert König culminating in the horrible act of violation and murder of a 16-year-old girl. On three consecutive days before his suicide in prison, Albert, an 18-year-old boy whose father has often mistreated him, tells a therapist the story of his painful life. – Looking for director and/or producer Mistwater („Saat des Bösen“), thriller/mystery Cathy wakes up one morning finding a message on her mailbox that her boyfriend Pat never wants to see her again. Cathy, totally upset, travels to Mistwater, Pat’s small hometown, where he had gone 3 days ago for a funeral. She finds no trace of Pat and his father does not even want to talk to her, but she has an interesting encounter with a parson who is suspicious about the sudden death of his predecessor. Cathy also makes the acquaintance of a private investigator looking for a mother’s lost son and a young man who, after the suicide of a close friend, suffers from scary visions from the past. Soon it becomes evident that Pat has taken a far too deep insight into some of Mistwater’s evil secrets. For all these people are linked by a series of murders. – Looking for producer (TV series) Strange Country (“Das fremde Land”), fantasy After a suicide attempt, 15-year-old Gernot finds himself in the middle of a medieval dungeon whose prisoners, surprisingly, make him the leader of a prisoners’ rebellion due to which he can escape. This is the beginning of an epoch-making fight against the forces of evil, led by the sinister Lord Cypher and the unscrupulous prison chief Eisselgaard. A fight, during which Gernot, whose name in this strange country is Notger, will meet his great love Anastasia and at the end of which he will find the final truth about himself. – Looking for producer (TV series) Falling Angels (“Fallende Engel”), drama/romance (based on the tragedy „Love and Intrigue“ by F. Schiller) Freddy, a mad car driver, is madly in love with Lisa, the beautiful daughter of a very simple, but upright family. Their misfortune: Freddy’s father is a criminal businessman who wants his son to marry another woman to strengthen his influence on an important mafia godfather. By lies and intrigues he finally succeeds in obscuring the relationship between Freddy and Lisa. Believing that his love betrayed him Freddy tries to kill her and himself in a car crash… – Looking for director and/or producer Puzzle, thriller Tim goes out with his dog Cano one morning and discovers some human bones in a forest. He starts investigating soon causing the death of a jeweler, whom he asked about a medal found close by. Tim finds out who the dead was, and meets with her sister. They fall in love with each other although she does not seem to trust him. Surprisingly, shortly after Tim started to investigate, two of his best friends, whom he had not seen for years, show up in his life again. One of them commits suicide after Tim visited him. When he starts putting together more and more parts of the puzzle, someone tries to kill Tim… – Looking for director and/or producer M I S T W A T E R Romanexposé (c) 2004 by Didier Personen Katharina Huttener, 20, genannt Kathi, Studentin Pfarrvikar Jim Reynolds, 35 Theresa Eliot, Mitte 50, Sekretärin im Kirchenbüro Dr. William Fredericks, Anfang 50, angesehener Landarzt Patrick Fredericks, 24, sein Sohn, genannt »Blacky«, Student, Freund von Kathi Charles Matthews, 19, arbeitslos, Patricks Cousin Robert Finlay, 23, Patricks früherer Freund Theo Ecclestone, 20, Patricks Freund Erna Bayer, 80, verlor in der Nazi-Diktatur ihre Schwester Emmi Hilda Moewig, 90, Witwe von Dr. Eberhard Moewig Phil Cutler, 16, Opfer eines Baumhausbrandes Ernie Clark, 16, Opfer eines Baumhausbrandes Zeittafel 1901: Geburt von Alexander Albert Theodor Friedrichs 1919: Geburt von Margaret Wyler, später verehel. Fredericks 1925: Geburt von Erna Bayer 1937: Tod der kleinen Emmi Bayer 1947: Alexander Friedrichs wandert als Verlobter von Margaret Wyler nach Mistwater aus, wo er den Namen Fredericks annimmt und Margaret heiratet 1948: Geburt des einzigen Sohnes William Stephen Fredericks 1971: Ermordung von Dr. Eberhard Moewig 1980: William S. Fredericks heiratet Betty McIntyre 1982: Sohn Patrick Stephen Fredericks wird geboren 1985: Tod von Margaret Fredericks 1987: Tod von Alexander Fredericks 2000: Scheidung der Ehe von William und Betty Fredericks 2000: Tod Betty Fredericks’ 2003: Studienbeginn für Patrick Fredericks an der Universität Hamburg Kurzinhalt: Mistwater erzählt eigentlich zwei Geschichten: die der deutschen Studentin Kathi, die ihren in seiner englischen Heimatstadt Mistwater verschwundenen Freund sucht und dabei die düstere Nazi-Vergangenheit seines Vaters aufdeckt, sowie die des elfjährigen Ottiwell, der zwei Jugendliche in ein Baumhaus gelockt und darin verbrennen lassen hat, weil sie ihn fortwährend drangsaliert und schikaniert haben. Beide Geschichten sind verwoben durch Kathis Freund Patrick, der, nachdem er erfahren hat, was Kathi erst mühsam herausfindet, in eine Art „inneres Exil“ geflohen ist und sich nach einer Hinwendung zu Gott für ein soziales Hilfsprojekt engagiert. In zwei Prologen werden die Tode von Eberhard Moewig, der 1971 in einem Wald erdrosselt wird, sowie der beiden Jugendlichen Phil und Ernie geschildert, die in einem Baumhaus verbrennen. Es erwischt Katharina Huttener, genannt Kathi, eiskalt, als sie eines Morgens im März nach einer wilden Studentenparty mit schwerem Kopf ihren Anrufbeantworter abhört und ihr Freund Patrick ihr in dünnen Worten eröffnet, dass er sie nicht wiedersehen könne. Ohne lange zu überlegen packt Kathi ihre Koffer um Patrick, der zusammen mit ihr an der Hamburger Universität studiert, jedoch britischer Staatsbürger ist, nachzureisen. Anlässlich der Beerdigung des mit ihm eng befreundeten Pastors Williamson war Patrick vor einigen Tagen in seinen Heimatort, die 4000-Seelen-Gemeinde Mistwater in Lancastershire, zurückgefahren. In Mistwater angekommen fällt Kathi sofort die bedrückende Atmosphäre auf, die in dem Ort herrscht. Die Menschen begegnen ihr mit Misstrauen und Ablehnung. Ein Grund dafür: Mistwater steht unter Schock: Zwei Jugendliche sind ums Leben gekommen, nachdem in dem Baumhaus, in dem sie sich aufhielten, ein Feuer ausgebrochen war. Das erfährt sie von ihrer landlady Mrs. Frost, bei der sie zu Bed-und-Breakfast-Kondidtionen logiert. Kathis Weg führt sie zu Patricks Vater Dr. William Fredericks, einem Witwer, dessen Vater nach dem Krieg die Schwester eines in Deutschland stationierten englischen Soldaten geheiratet hatte und mit ihr nach Mistwater gegangen war. Doch der angesehene Arzt legt keinerlei Wert darauf, die Bekanntschaft der Freundin seines Sohnes zu machen und verweigert auch sonst jede Auskunft. Er wisse nicht, wo Patrick hingegangen sei. Enttäuscht sucht Kathi Robert Finlay, einen Freund aus Patricks Kindertagen auf, von dem er ihr in Deutschland erzählt hat. Von Robert erfährt Kathi, dass Patrick seit seinem letzten Besuch in Mistwater zu Weihnachten völlig „durch den Wind“ sei. Auch mit seinem Vater habe er sich offenbar überworfen. Nur zu dem verstorbenen Pastor Williamson habe er am Schluss noch Vertrauen gehabt. Sein plötzlicher Tod durch Herzversagen habe ihm in irgendeiner Art und Weise »den Rest gegeben«. Er habe das Leben empfunden »wie tausend Jahre Regenwetter«, das sei seine eigene Formulierung gewesen. Da Roberts Draht zu Patrick schon seit einiger Zeit nur noch oberflächlich sei, könne er ihr nur Informationen vom Hörensagen weitergeben. Patrick habe sich zuletzt mehr mit Freunden abgegeben, die sich leider zum Schlechten entwickelt hätten, darunter auch Patricks Cousin Charles Matthews, der sich mit den Anhängern einer faschistoiden Gruppierung herumtreibt und deren Anführer ist. Szenetreff ist die Musikbar »Fire Mouth«, zugleich die einzige richtige Kneipe in Mistwater. Zum Dunstkreis der Leute, die sich dort treffen, haben, so erfährt Kathi weiter, auch die beiden Opfer des Brandes im Baumhaus gehört, der jetzt alle so tief erschüttert. Vor ein paar Tagen ist Patrick noch im »Fire Mouth« gesichtet worden. Er hat dort einen furchtbaren Streit mit Charles gehabt. Die beiden sind sich fast gegenseitig an die Gurgel gegangen. Patrick sei danach, so Robert weiter, in einer fürchterlichen Verfassung gewesen. Er habe sein ganzes Leben verflucht und alles hinschmeißen wollen. Danach hat ihn niemand mehr gesehen. Kathi nimmt diesen Bericht mit großer Besorgnis zur Kenntnis und erinnert sich daran, dass Patrick in den letzten Wochen in Hamburg ungewöhnlich oft die Sinnfrage und Fragen nach Schuld und Gerechtigkeit gestellt hat. Schließlich erzählt Robert ihr noch von Williamsons kommissarischem Nachfolger Reynolds, der »ganz o.k.« sei. Vielleicht solle sie einfach mal mit ihm reden. Kathis Gespräch mit dem Vikar endet ganz schnell, denn Reynolds kennt keinen Patrick. Reynolds ist zuvor, während er sich immer noch provisorisch im Haus des Vorgängers einzurichten bemüht ist, allerdings auf eine merkwürdige Notiz gestoßen, die offenbar in die Ritze eines Bürosessels gefallen war. Der alte Pfarrer hat sich offenbar nach einem vertraulichen Beichtgespräch auf einem Gebetszettel, wie er sie regelmäßig benutzte, Notizen gemacht. Ihr Inhalt: »Beichtgespräch B.: Entscheidung über Kinder«, dann ein Pfeil und dann: »Euth.- 5. Herr, hilf! Gespräch mit F. am 15. 3.« Mehr lässt sich nicht entziffern. Bestürzt stellt der junge Vikar fest, dass der 14.3. Williamsons Todestag war. Frau Eliot, die Sekretärin erinnert sich, dass ihr alter Chef in ziemlicher Aufregung war wegen dieses Gesprächs. Sie wisse aber nicht, um wen es sich gehandelt haben könnte. Entsetzt sucht Kathi noch einmal Patricks Vater auf. Sie teilt ihm mit, sie vermute, Patrick wolle sich das Leben nehmen oder habe das schon getan und liege vielleicht irgendwo herum. Dr. Fredericks lässt das unbeeindruckt. Kathi gerät außer sich vor Angst und Sorge. Wütend verlässt sie das Haus. Bei einem Spaziergang stößt sie zufällig auf den Ort mit dem abgebrannten Baumhaus. Zufällig entdeckt sie dabei so eine Art Anstecknadel, deren Prägung noch erkennbar ist: Batman. Auf der Straße begegnet ihr später ein fremder Junge: Charles, ein jovialer Aufreißertyp, wie es Kathi erscheint, will sie schon mal irgendwo gesehen haben – auf einem Foto, das sein Cousin Blacky ihm mal gezeigt habe. Sie sei Blackys Freundin. Blacky? Kathi kann dem Jungen nur einen Vogel zeigen. Einen Blacky kenne sie nicht. Doch rasch stellt sich heraus, dass Blacky der Spitzname von Patrick ist. Alle Freunde, mit denen er sich zuletzt abgegeben habe, meint Charles, im Dorf und in der Bar »Fire Mouth«, hätten ihn eigentlich nur unter diesem Namen gekannt. Kathi ändert ihre Haltung und bittet Charles ihr alles zu berichten, was sie von Blacky alias Patrick wisse. Außerdem solle es einen Streit zwischen den beiden Cousins gegeben haben. Das leugnet Charles. Er und Blacky seien von Kindesbeinen auf die besten Freunde gewesen. Auch glaubt er nicht, dass Blacky etwas zugestoßen sein könnte. Blacky sei zwar manchmal übersensibel und etwas sentimental, aber trotzdem unverwüstlich. Ansonsten kann Charles wenig Neues berichten. Blacky sei seit letzten Weihnachten auf einem »frommen Trip« gewesen, habe sich oft mit dem alten Pfarrer ausgetauscht. Dessen Tod habe ihn dann vollends aus der Bahn geworfen. An eine gewisse religiöse Neuorientierung ihres Freundes in den vergangenen Monaten kann sich auch Kathi erinnern. Nach der Beerdigung habe Charles seinen Cousin nicht mehr gesehen. Bestimmt sei er ins Kloster oder so gegangen, scherzt der Junge. Von einem Streit Blackys mit seinem Vater, wie Robert ihn Kathi gegenüber erwähnt hatte, weiß Charles indes nichts. Schließlich lädt Charles Kathi für den Abend ins »Fire Mouth« ein. Kathi nimmt an, macht aber unmissverständlich klar, dass sie vergeben ist. Williamsons Gebetszettel lässt dem jungen Vikar Reynolds keine Ruhe. Zusammen mit Frau Eliot erörtert er zunächst die Frage, ob er bei fragmentarisch festgehaltenen Beichtnotizen seines verstorbenen Vorgängers an das Beichtgeheimnis gebunden sei. Frau Eliot ist das zu hypothetisch. Er zeigt ihr also den Papierfetzen. Frau Eliot erinnert sich, dass Pastor Williamson ein paar Wochen vor seinem Tode einmal von einem Gespräch mit einem Jungen berichtet hat, der tief in Schwierigkeiten und Depressionen gesteckt habe. Alles weitere sei jedoch unter die Schweigepflicht gefallen. Den Namen habe er ihr nicht sagen dürfen. Mit B fällt ihr kein passender Name ein. Zum Buchstaben F. fallen ihr dagegen gleich mehrere Namen ein, z. B. Dr. Fredericks. Der Fredericks sei ihr, so Frau Eliot, nie ganz geheuer gewesen , weil dem nichts heilig sei. Vor allem die Art und Weise, wie er damals seine Frau abserviert habe, vor mehr als zehn Jahren, habe ihr missfallen und für viel Klatsch und Tratsch in Mistwater gesorgt, zumal seine Frau, wie später der Zeitung zu entnehmen war, wenige Wochen nach der Trennung starb. Man munkelte damals, sie habe Selbstmord begangen. Sie würde lieber zu einem weiter entfernt wohnenden Arzt gehen, wenn sie einmal krank wäre. Kathi sitzt mit Charles an der Theke des »Fire Mouth« und bekundet, dass ihr die Kneipe angesichts der vielen dämonischen Bilder ein wenig unheimlich vorkommt. An einer Wand hängt ein großes Bild mit einer schwarzen Teufelsfratze auf rotem Grund. Als Charles auf dem WC verschwindet, spricht ein fremder Junge sie an, der sich als Theo, ein Freund von Blacky, vorstellt. Robert habe ihm von ihren Nachforschungen berichtet und in Mistwater sprächen sich Neuigkeiten rasch herum. Da man sich in Mistwater ja nicht aussuchen könne, wo man abends hingehe um Spaß zu haben, habe er sich gedacht, er würde Kathi wohl hier antreffen. Theo weiß zu berichten, Blacky habe in Mistwater einen neuen Freund gefunden, den elfjährigen Ottiwell. Charles, offenbar eifersüchtig, nähert sich zornig und provoziert eine Rangelei. Als Kathi Theo verteidigen will, fällt die Maske: Charles grapscht die Studentin an und gibt auf einmal unflätige Äußerungen von sich. Zwei Freunde treten an seine Seite und reden wirres Zeug. Sie beschimpfen Blacky als Verräter, der seinem Namen keine Ehre mehr mache. Kathi bringt Charles und seine Freunde durch eine Ohrfeige zum Schweigen. Unter wüsten Beschimpfungen und Drohungen verlässt sie zusammen mit Theo das Lokal. Kathi geht in ihre Pension und ruft von ihrem Mobiltelefon aus ihren Anrufbeantworter in Hamburg an. Doch es gibt nicht die erhoffte Nachricht von Patrick, sondern nur die von einer Frau Moewig, die einen Termin mit Patrick haben möchte. Am nächsten Morgen besucht Kathi erneut den Vikar Reynolds. Kathi fragt Reynolds jetzt, ob er, wenn er denn schon keinen Patrick kenne, vielleicht wenigstens über einen gewissen Blacky etwas zu sagen wisse und – siehe da! – diesmal fällt ihre Anfrage auf fruchtbaren Boden. Nicht, weil der Name Blacky Reynolds mehr sagen würde, aber Frau Eliot sagt er etwas. Sie erinnert sich nämlich sofort an den jugendlichen Freund des alten Pastors. Und dieser Name, wird Reynolds klar, muss es auch sein, der sich hinter der Abkürzung auf dem Schmierzettel verbirgt! Das kann der Vikar Kathi zwar nicht sagen, weil es unter die Schweigepflicht fällt, aber Kathi merkt, dass Reynolds etwas weiß. Sie setzt auf die Devise »Vertrauen gegen Vertrauen«. Sie wolle wissen, was aus ihrem Freund geworden sei, und Reynolds habe offenbar auch das Gefühl, dass in Mistwater einiges nicht mit rechten Dingen zugehe. Wenn man an einem Strang ziehe, könne man vielleicht gemeinsam davon profitieren: Kathi findet ihren Freund wieder und Reynolds kann das zu Ende bringen, was seinem Vorgänger wegen seines plötzlichen Todes verwehrt blieb. Kathi bittet den Pfarrer gleich noch einmal um Hilfe. In der Gemeindekartei fänden sich doch alle Namen und Adressen von Kirchenmitgliedern. Sie würde gern wissen, ob es eine Familie mit einem Sohn namens Ottiwell gebe. Der Name ist nicht besonders häufig und mit Frau Eliots Hilfe ist die Familie im Nu gefunden. Bei ihrem Besuch gelingt es Kathi anfangs nicht Ottiwells Vertrauen zu gewinnen. Das ändert sich schlagartig, als sich Kathi als Patricks Freundin vorstellt. Der Junge schwärmt förmlich von Patrick. Kennen gelernt haben sich beide dadurch, weiß der Junge zu berichten, dass Patrick ihm einmal geholfen hat, als zwei Jugendliche Geld von ihm erpressen wollten. Sie hätten gedroht ihn zu verprügeln, aber Patrick, der die beiden zu kennen schien, hat sie verjagt, so der Junge. Die beiden Jungen hätten ihn schikaniert, seit er mit seiner Mutter nach Mistwater gezogen sei. Sie habe sich von seinem Vater scheiden lassen. Auf die Frage, warum so etwas geschehe, warum es so viel Unrecht gebe, weiß Kathi keine Antwort, aber der Junge überrascht sie mit seinem wachen Verstand und seinen kritischen Fragen. Er spricht von einer besseren Gerechtigkeit als der, die es auf der Welt gebe. Darüber habe er auch mit Patrick viel diskutiert. Ottiwell weiß außerdem ein Geheimnis, aber er hat Patrick vesprochen mit niemandem darüber zu sprechen. Kathi bringt es nicht fertig den Jungen zum Reden zu bringen. Sie erfährt nur, dass Patrick in Deutschland eine alte Frau namens Bayer gefunden hat, die der Schlüssel zu diesem Geheimnis ist. Kathi erinnert sich an einen Tag, da Patrick einen wichtigen Besuch zu machen behauptet hatte und einfach verschwunden war. Er hatte ihr nur erzählt, dass er in den Norden Hamburgs reisen wolle. Ottiwell weiß auch nicht genau, wohin Patrick gegangen sein könnte, aber er habe davon gesprochen sich irgendwie nützlich zu machen und ein neues Leben zu führen. Es habe mit Jesus zu tun gehabt, so Ottiwell. Ein Satz ist dem Jungen besonders im Gedächtnis haften geblieben: „Und wenn deine Hände auch rot von Blut sind, sollen sie doch schneeweiß werden.“ Das habe Patrick zu ihm gesagt. Warum er denn so einen Satz gesagt habe, will Kathi wissen, aber da hüllt sich der Junge in Schweigen. Dafür erinnert er sich an den Namen Jerusalem. Ja, Patrick hat immer davon gesprochen an einem Ort namens Jerusalem Dienst zu tun. Als Kathi nach Hause gehen will, trifft sie Angela, eine Klassenkameradin von Ottiwell, die gerade auf dem Weg zu ihm ist. Kathi stellt sich kurz vor und entlockt dem Mädchen rasch, dass es „ein bisschen“ in Patrick verliebt ist. Kathi erinnert sich auch daran, das Mädchen schon einmal gesehen zu haben, und zwar als sie zufällig auf die Brandstelle stieß. Dann telefoniert Kathi mit der unbekannten Frau Moewig, die auf der Mailbox eine Nachricht hinterlassen hat. Frau Moewig behauptet, Patrick habe mit ihr Kontakt aufgenommen, weil er angeblich etwas über den Tod ihres vor vielen Jahren erhängt in einem Waldstück in Schleswig-Holstein aufgefundenen Vaters gewusst habe. Kathi lässt sich von der Frau einen Zeitungsausschnitt faxen. Eine Frau Bayer kennt Frau Moewig nicht. Reynolds und Kathi fragen sich, was die beiden Frauen miteinander zu tun haben. Kathi fällt ein, dass Patrick alte Fahrscheine in der Regel auf dem Schreibtisch liegen lässt und nicht wegwirft. Telefonisch bittet sie ihre Vermieterin, auf dem Schreibtisch nachzusehen ob sie ein Nahverkehrszug-Ticket vom Anfang des Monats finden könne. Während sie auf den Rückruf ihrer Hamburger Vermieterin wartet, geht Kathi spazieren. Charles kommt auf seinem Motorrad angebraust und belästigt sie frech. Wütend faucht sie ihn an, er und seinesgleichen sollten mal lieber aufhören ständig mit dem Feuer zu spielen. Wie alle wüssten, könne man sie dabei ganz schnell die Finger verbrennen und auch mehr... Charles verschlägt es völlig die Sprache ob dieser Anspielung auf den Brandunfall der beiden Cliquenmitglieder Phil und Ernie. Was sie denn damit sagen wolle. Kathi hüllt sich in Schweigen, aber als Charles sich entfernt hat, holt sie noch einmal die halb verkohlte „Batman“-Anstecknadel hervor und spricht leise vor sich hin: „eine bessere Gerechtigkeit!“ Kurz darauf ist die Vermieterin tatsächlich fündig geworden. Die Reise, die Patrick Anfang des Monats gemacht hat, führte ins schleswig-holsteinische Kaltenkirchen. Weitere Recherchen ergeben, dass dort eine fast neunzig Jahre alte Rentnerin namens Erna Bayer lebt. Kathi ruft sie sofort an. Die alte Dame kann bestätigen, dass Patrick sie Anfang März besucht hat. Er habe ihr berichtet, im Rahmen seines Geschichtsstudiums habe er Nachforschungen über Opfer aus der Nazi-Zeit anstellen müssen. Frau Bayer erzählt, den Tränen nah, vom Schicksal ihrer Schwester Emmi, die 1936 mit vier Jahren wegen einer geringfügigen geistigen Behinderung von der Familienfürsorge in die Alsterdorfer Anstalten eingewiesen wurde. Kurz vor Kriegsende dann die Nachricht, dass Emmi nach einer lebensgefährlichen Erkrankung in der Kinderklinik Hamburg-Rothenburgsort gestorben sei. Unter Tränen fügt Frau Bayer hinzu: »Ermordet von den Nazis – per Giftspritze.« Kathi kann sich nun auch die rätselhafte »5.« auf dem Papierfetzen des Pastors erklären: Möglicherweise steht sie für das fünfte Gebot, das hier massiv verletzt wurde. Die Abkürzung „Euth.“ auf dem Schnipsel könnte demnach für Euthanasie stehen. Doch es bleibt die Frage: Was mag Patrick bewogen haben in der Vergangenheit herumzuwühlen? Frau Bayer liest weitere Details aus dem ihr damals ausgehändigten Dokument vor: Die Überweisung von Alsterdorf nach Rothenburgsort und damit Emmis Todesurteil hat ein gewisser Dr. Alexander Fredericks unterzeichnet, Patricks inzwischen verstorbener Großvater. Komischerweise habe Patrick, der davon nicht überrascht schien, jedoch immer nach einem anderen Arzt gefragt, einem Doktor Moewig. Und den kennt auch Frau Bayer nicht. Abends im Pub erfährt Kathi, dass die beiden Toten aus dem Baumhausbrand sich ein bisschen Geld dazuverdient hätten, indem sie Schüler erpressten. Jetzt drängt es Kathi noch einmal mit dem kleinen Ottiwell zu sprechen. Ihr Verdacht: Patrick hat um den Jungen zu schützen vielleicht das Baumhaus in Brand gesteckt und wollte dabei die beiden Getöteten vielleicht nur erschrecken. Etwas könnte dann schief gelaufen und Patrick zur Flucht veranlasst haben. Kathi fragt, was Patrick Ottiwells Ansicht nach bewogen habe sich plötzlich „nützlich machen“ zu wollen. Sei es nicht vielmehr eine Flucht gewesen? Ottiwell erwidert: Patrick habe gesagt: Wenn es Gott gebe, dann dürfe man nicht so tun, als sei er ein unbeteiligter Zuschauer unseres Lebens. Ottiwell findet dagegen, dass Gott aber oft so handle, als sei er genau dies. Gott habe nichts getan, als die beiden A---löcher, die ihn immer belästigt haben, seinen besten Freund, den Teddy Balthasar, auseinandergepflückt haben, weil er sie nicht bezahlen wollte. Solche Leute glaubten gar nicht an Gott, sondern machten sich lieber ihre eigene Gerechtigkeit, aber diese Gerechtigkeit tauge nichts! Und deswegen müsse eben jeder Mensch seine Gegen-Gerechtigkeit haben. Anscheinend habe aber Gott die beiden Übeltäter jetzt doch bestraft, provoziert Kathi den Jungen. Denn, was er ihr bisher verschwiegen habe, die beiden „bösen Jungen“ seien ja in dem Baumhaus umgekommen. Vielleicht habe es in diesem Fall aber auch eine Art „Batman“ gegeben, der für Recht und Ordnung gesorgt habe. Damit trifft sie ins Schwarze. Als Ottiwell sich nämlich als großer Fan des Superhelden „outet“, holt Kathi die Anstecknadel hervor, die sie am Ort des Brandes gefunden hat. Kathi kann sich leicht zusammenreimen, dass das Baumhaus, das abgebrannt ist, sein und Angelas Baumhaus gewesen sein muss. Ottiwell gibt es zu. Er gibt auch zu, dass er mit Patrick über Phil und Ernie gesprochen hat, die ihn immer bedroht und schikaniert hätten. Das nährt Kathis Verdacht, auch wenn Patrick noch einmal betont, die Sache mit dem Baumhaus sei ein Unfall gewesen. Von Angela erfährt sie später, dass Patrick in eine ganz schwere Krise geraten sei, nachdem er wegen einer Prügelei mit Phil und Ernie Streit mit seiner Mutter gehabt hatte. Als Kathi morgens zum Pastorat kommt, sieht sie, dass jemand hässliche Drohparolen an die Fassaden geschmiert hat. Reynolds hat keine Ahnung, wer dahinter stecken könnte. Er und Kathi recherchieren im Internet und erfahren auf den Seiten der Simon-Wiesenthal-Stiftung einiges Neues: Dr. Moewig wurde 1971 in einem Waldgebiet im Segeberger Forst ermordet aufgefunden. Da Moewig als Assistenzarzt im Dritten Reich an Euthanasie-Programmen beteiligt war und mit der Ermordung von Kindern in Hamburg-Rothenburgsort in Verbindung gebracht wurde (das ergaben Ermittlungen nach seinem Tod), lag die Vermutung nahe, Moewig habe sich aus Reue das Leben genommen – Informationen, die Frau Moewig aus verständlichen Gründen für sich behalten hat. Die polizeilichen Ermittlungen wurden rasch eingestellt. Endlich gibt es eine Verbindung Moewig - Fredericks. Kathi hingegen hat nur ein Ziel: Patrick zu finden. Wie es aussehe, müsse sie dafür allerdings nach Jerusalem reisen. Mit Hilfe der Informationen, die Kathi außerdem über Patricks Pläne hat, kann Reynolds das Rätsel jedoch bald lösen. Möglicherweise habe Patrick nicht die Stadt Jerusalem, sondern das „Café Jerusalem“ gemeint, das in Lancaster als diakonische Anlaufstelle für Obdachlose betrieben werde. Kathi möche sofort nach Lancaster reisen. Reynolds hält ein Gespräch mit Dr. Fredericks für unausweichlich. Fredericks begrüßt den Pastor höflich, doch kalt. Sie gehen in den Salon, dessen linke Seite komplett mit Büchern in endlosen Regalen voll gestellt ist. Reynolds wirft eher zufällig einen Blick darauf. Er findet Bücher, die üblicherweise in rechtsextremen Kreisen kursieren. Beide nehmen Platz. Im Gespräch über Gott und die Welt prallen Welten aufeinander, denn Fredericks glaubt nicht an Gott. Reynolds spürt eine gewisse Feindseligkeit, die sich noch verstärkt, als er Fragen zum Verbleib von Patrick stellt, Fredericks einzigem Sohn. Als Reynolds dann auch noch den Namen Bayer fallen lässt, verliert sein Gegenüber die Geduld: Fredericks hat plötzlich keine Zeit mehr. Mit einer Einladung zum bevorstehenden Oster-Gottesdienst verlässt Reynolds das vornehme Anwesen. Als Reynolds einige Zeit später zu Hause vom Fahrrad steigen will, stürzen sich Schatten aus dem Dunkel auf ihn und schlagen auf ihn ein. Bei dem Lärm wird es hell im Anbau, dem Domizil von Frau Eliot. Mit einem Regenschirm bewaffnet kommt Frau Eliot herbeigerannt und schlägt wild auf die maskierten Angreifer ein, die überrascht die Flucht ergreifen. Der Regenschirm ist blutverschmiert. Auf Frau Eliot gestützt, gelangt Reynolds in sein Wohnzimmer. Sie verarztet ihn. Dabei kommt es zu folgendem Dialog: »Frau Eliot, Sie sind eine sehr mutige Frau. Aber kennen sie nicht das Wort unseres Herrn: ‚Wer dich auf die linke Wange schlägt, dem halte auch die rechte hin‘?« – »Na, meine Wange war‘s ja nicht, Herr Pfarrvikar!« Ostergottesdienst in der Kirchengemeinde: Reynolds predigt über Schuld und Sühne und den Sieg Christi über die Mächte der Finsternis. Dabei macht er einige Anspielungen, die bei Fredericks seinem Mienenspiel zufolge einigen Verdruss auslösen. Als der Gottesdienst zu Ende ist, faucht Fredericks ihn am Ausgang an: »Lehnen Sie sich nur nicht zu weit aus dem Fenster, Reynolds, sonst sorg' ich dafür, dass Sie stürzen!« – »Ich bin schon gestürzt, Herr Dr. Fredericks, sieht man das nicht? Aber ich bin wieder hochgekommen! Sehen Sie, besser könnte man ja die Botschaft von Ostern gar nicht auf den Punkt bringen.« Überraschend schlägt Fredericks dann ein Gespräch mit dem Vikar vor. Sie verabreden sich für 14 Uhr. Auch Kathi ist zum Gottesdienst gekommen. Sie berichtet, dass sie sich bisher nicht hat durchringen können nach Lancaster zu fahren. Sie hat Angst vor dem Zusammentreffen mit Patrick und den Konsequenzen. Der Vikar ermutigt sie jetzt nicht so kurz vor dem Ziel aufzugeben. Nachmittags betritt Kathi mit gemischten Gefühlen das Café Jerusalem. Überraschend steht sie plötzlich Patrick gegenüber, der gerade einem Obdachlosen Tee serviert. Spontan umarmt sie ihn. Doch Patrick reagiert zurückhaltend. Kathi vermutet, das hänge mit der Baumhaus-Geschichte zusammen, an der sich Patrick womöglich schuldig fühlt und erklärt, dass sie zu ihm stehen werde, egal, was er angestellt haben mag. Schließlich sei doch Vertrauen die Grundvoraussetzung für jede Art von Beziehung. Patrick zieht sie also ins Vertrauen und verpflichtet sie gleichzeitig zur Verschwiegenheit: Das Baumhaus habe der elfährige Ottiwell in Brand gesteckt. Und nur er, Patrick, und jetzt sie, Kathi, kennten die Wahrheit: Ottiwell hat sein eigenes Baumhaus mit Benzin getränkt, die beiden „Mörder“ seines Teddys Balthasar hereingelockt, ist durch die Dachluke oben hinaus, hat dann, ehe die beiden es bemerkten, unten die Luke geschlossen und dann durch ein kleines Loch ein Streichholz hineingeworfen. Kathi ist sprachlos. Kathi erfährt auch die Wahrheit über den Streit mit seinem Vater: Dr. Moewig, ein Kollege von Patricks Großvater, der wie dieser unentdeckt geblieben war, wollte, von Gewissensbissen geplagt, viele Jahre nach dem Krieg auf einmal alles aufdecken und wurde von Dr. Alexander Fredericks (»A. F.« auf dem Papierfetzen), ermordet. Patricks Großvater kehrte dazu 1971 mit der neuen Identität als Dr. Fredericks zusammen mit Patricks Vater für ein paar Tage nach Deutschland zurück, lockte Moewig zu einem vertraulichen Gespräch in ein idyllisches Waldstück, überwältigte ihn mit Hilfe seines Sohnes, der dort auf der Lauer lag, und erhängte ihn. William Fredericks hat sich also als Mittäter schuldig gemacht. Patrick hatte schon lange eine Ahnung hinsichtlich der Nazi-Vergangenheit des Großvaters und nicht zuletzt dies war der Grund ausgerechnet in Hamburg ein Geschichtsstudium aufzunehmen. Eine Seminararbeit führte dann zu den Alsterdorfer Anstalten und bald hatte er Gewissheit, dass sein Großvater besagter Dr. Friedrichs war, der Kinder in den Tod schickte. Während des Weihnachtsurlaubs hatte er dann im unter Verschluss gehaltenen alten Rollschrank seines Großvaters einen Hinweis auf ein Wiedersehen mit Moewig gefunden und seinen Vater, nachdem er durch die Kontaktaufnahme mit Frau Moewig genug wusste, damit konfrontiert. (An die Deutschlandreise von Vater und Großvater erinnerte eine Postkarte, die ebenfalls zu den im Rollschrank gefundenen Dokumenten gehörte.) Als dieser nicht einwilligen wollte, die Sache ans Licht zu bringen oder wenigstens beim Pfarrer zu beichten, entschied Patrick, stellvertretend für seinen Vater zur Beichte zu gehen. Sein Vater konnte ihn nicht davon abhalten. Was Patrick jedoch erst jetzt erfährt: Es war noch ein Gespräch zwischen seinem Vater und dem alten Pastor avisiert: kurz vor dessen Todestag. Patrick fällt aus allen Wolken. Sollte der alter Pastor Opfer eines weiteren Mordes geworden sein? Klar ist Patrick schon seit langem, dass es irgendwelche dunklen Verbindungen zwischen seinem Vater und der rechtsextremen Szene rund um Charles gibt, denn zum Schein hatte er sich eine Zeitlang in diese Szene hineinbegeben. So erklären sich die Angriffe auf den Pastor und das beschmierte Pfarrhaus. Da Kathi weiß, dass sich Reynolds zu dieser Zeit mit Fredericks treffen wollte, befürchten sie nun einen Anschlag auf das Leben des Vikars und brechen sofort nach Mistwater auf. Parallel zur Aussprache zwischen Patrick und Kathi findet ein Gespräch zwischen Fredericks und Reynolds statt. Der gibt sich zunächst betont freundlich und lässt Reynolds Platz nehmen. Dann serviert er ein Glas Wein. Seine Haushälterin habe heute ihren freien Tag. Reynolds konfrontiert den Doktor schonungslos mit einer Reihe von Vorwürfen. Er spricht ihn auf die merkwürdigen Bücher an, die ihm schon bei seinem letzten Besuch aufgefallen waren. Provokant erklärt Reynolds, wenn sein Gegenüber Zeitung gelesen habe, dann wisse er ja, dass das Spiel mit dem Teufel selten gut ausgehe, denn die verstorbenen Jugendlichen hatten ja auch Verbindungen zu der Gruppierung rund um Charles. Dann spricht er ihn auf die vertuschte Verbrecher-Vergangenheit seiner Familie in der Nazi-Zeit an, als sich Dr. Alexander Fredericks, sein Vater, mit unlauteren Gutachten, die unschuldige Kinder in einen gewissenlosen Euthanasie-Tod trieb, bei den Nazis hochdiente. Vorwurf Nummer drei: Gemeinsam mit seinem Vater, Dr. Alexander Fredericks, habe er 1971 den reuigen Dr. Moewig kaltblütig aus dem Weg geräumt, als dieser mit seiner Nazi-Vergangenheit aufräumen wollte und damit den Ruf der Familie Fredericks gefährdete. Lächelnd streitet Fredericks nichts von allem ab – nachdem Reynolds eingewilligt hat, die Ausführungen als vertrauliches Beichtgespräch zu behandeln, für das man ja in „unserer Zeit“ nicht die altmodische Einrichtung eines Beichtstuhls mehr benötige. Reynolds durchschaut sofort, dass sein Gegenüber sich durch diesen Schachzug nur gegen polizeiliche Nachforschungen schützen will, bei denen Reynolds nicht mehr als Zeuge dienen könnte, doch er gibt ihm auch zu vestehen, dass Fredericks ihn missverstehe, wenn er glaube, dass er als Detektiv und nicht als Seelsorger hier sei. Auf das auffällige Todesdatum des Pastors Williamson angesprochen erklärt Fredericks, er wisse zwar, worauf Reynolds hinauswolle, aber er sei auf dem Holzweg: Man könne eine Exhumierung veranlassen und werde nichts finden. Der Pfarrer sei tatsächlich eines natürlichen Todes gestorben. Gott selbst scheint – Ironie des Schicksals – im Gegensatz zu vielen Menschen kein Interesse daran gehabt zu haben, dass diese schlafenden Hunde geweckt würden. Das eigentlich Erschütternde an dem ganzen Fall, schließt Reynolds, sei, dass ihm, Fredericks, durch seinen eigenen Sohn der Ausweg aus der ganzen Misere eigentlich sperrangelweit offen stehe: der Weg von Buße und Vergebung. Nicht das Theater, das er ihm jetzt vorspiele, sondern eine echte Buße, eine Abkehr von dem Bösen, das sich in seinem und seines Vaters Leben breit gemacht habe. So aber bedürfe es keiner Polizei und keines Richters um Fredericks zu richten. Das Verbrechen berge ja den Keim der Zerstörung und Zersetzung des Lebens in sich und Fredericks habe sich durch seinen glaubenslosen Lebensentwurf selbst auf ewig von Seelenfrieden und göttlichem Segen abgeschottet, die die Grundvoraussetzung für ein gelingendes Leben seien. Das habe gewiss auch sein Vorgänger ihm vorschlagen wollen. »Jesus«, so Reynolds, »stößt nie jemanden hinaus, der zu ihm kommt, auch nicht, wenn seine Hände von Blut triefen.« Denn nur so könne der Teufelskreis des Bösen durchbrochen werden. Fredericks und sein Vater aber hätten sich selbst hinausgestoßen ins Verderben. Und so habe das Böse immer wieder Böses gezeugt – bis hin zum bitteren Ende. Kathi und Patrick kommen schließlich besorgt in Mistwater an, stellen aber erleichtert fest, dass es Reynolds gut geht. Dann suchen sie Ottiwell auf, der weinen muss, weil die Mütter der beiden Getöteten mit Bildern in der Zeitung gestanden hätten. Kathi und Patrick gehen am Dorfrand spazieren und überdenken ihre Beziehung. Patrick ist entschlossen den mit Gott neu begonnenen Lebensweg konsequent fortzusetzen und mindestens ein Jahr im Café Jerusalem zu bleiben. Er kann sich selbst im Hinblick auf die Beziehung, die sie bisher miteinander hatten, den Vorwurf nicht ersparen, dass vieles von seiner Seite her egoistisch und unaufrichtig gewesen sei. Er empfinde es heute beispielsweise als verlogen, dass er mit ihr zusammengelebt habe, aber nicht einen Gedanken daran gehabt hätte sie zu heiraten. Er sei ihre Beziehung überstürzt und ohne den nötigen Ernst eingegangen – und er schulde ihr mehr als das. Irgendwann werde Jesus aus ihm, so hoffe er, einen Menschen gemacht haben, der es verdiene, von ihr geliebt zu werden, und dann werde er sich freuen ihr ganz neu begegnen zu dürfen. Kathi bekommt eine Ahnung von dem, was es heißt durch den Glauben zu einem anderen Menschen zu werden. Sie muss weinen. Mit einer Umarmung nehmen sie Abschied voneinander. Als Kathi im Flugzeug nach Hamburg sitzt, hat sie zum ersten Mal in ihrem Leben das Gefühl etwas zu verstehen von dem, was Patrick meinte, als er sprach von der »herrlichen Freiheit der Kinder Gottes...« Mistwater – Kapitel 10 Das Café lag völlig unscheinbar in einer Straße, die vom Bahnhof aus bequem zu Fuß erreicht werden konnte. Es wirkte, klein und eingeschossig, wie eingezwängt zwischen den größeren und neueren Häusern links und rechts. Die weiße Farbe der Fassade war stellenweise abgeblättert, das Haus konnte den Zahn der Zeit, der an ihm nagte, nicht verleugnen. Durch ein großes Fenster konnte man einen bärtigen jungen Mann in einem blauen Pullover sehen, der an seinem Tisch eine Zigarette rauchte und gleichgültig aus dem Fenster sah. Über der Tür links davon prangte in Metallbuchstaben und Schreibschrift „Café Jerusalem“. Kathi war am Ziel und ihr Herz schlug schneller. Sie blieb vor der Tür stehen und schien unschlüssig. Dann gab sie sich einen Ruck und trat ein. Im Hintergrund des langen Saales, der in freundliche, helle Farben getaucht war und wesentlich neuer wirkte als die Fassade, sah sie die Theke, hinter der eine Frau in einem langen, fleckigen Kittel Gläser spülte. Rechts standen sechs Tischgruppen, nur vereinzelt saßen an ihnen Gäste. Auffällig war, dass es weit und breit keinen Alkohol gab. Tee, Kaffee und Limonaden prägten das Bild. Aus einem unsichtbaren Lautsprecher erklang in unaufdringlicher Lautstärke ein französisches Lied: „Tu m’as donné le courage“, sang eine Frau mit leichtem Soul-Einschlag. Kathi wusste nicht, ob sie enttäuscht oder erleichtert war, dass sie Patrick nicht sogleich erblickt hatte. Vielleicht war er nicht da. Vielleicht war es besser so. Als sie sich weiter vortastete und dabei umsah, blieb ihr Blick an einer Gemäldekopie hängen, die über den Tischen rechts hing. Ein alter, kahlköpfiger Mann stand, die Hände auf dem Rücken gefaltet, in seinem unwirtlichen Verlies und sah wie in Meditation versunken nach draußen. Die Helligkeit des Tages, die durch die am linken Bildrand nur angedeutete Öffnung in den Raum fiel, tauchte seinen Leib in strahlendes Licht. Hinter ihm und um ihn herum im Schatten, geduckt, verunsichert, wie von einem unsichtbaren Dompteur im Zaume gehalten und von dem Mann keines Blickes gewürdigt, schlichen vier Löwinnen. Es war Daniel, Daniel in der Löwengrube. Ruhe strahlte er aus und Frieden. Warum konnte sie nicht das, was kommen würde, mit der gleichen inneren Haltung erwarten wie jener Mann? Warum nahm man sein eigenes Leben eigentlich immer so wichtig? War es nicht nur eine Geschichte von vielen und war sie nicht auch dann unterhaltsam, wenn sie schlecht ausging? Warum konnte man sich nicht einfach neben seine eigene Geschichte stellen, sich in aller Ruhe anschauen, wie es ausging, und sich von den spannenden Stellen, so gut es eben ging, unterhalten lassen? War man wirklich so wichtig, dass man jetzt mit weichen Knien und einem beengenden Gefühl im Brustkorb hier stehen und angstvoll abwarten musste, was geschehen würde, was geschehen musste? Denn eines war sicher: Das Drehbuch zu dem Film, der hier ablief, war doch längst geschrieben. Und sie war die Letzte, die daran noch etwas drehen konnte. „Mich beeindruckt es auch immer wieder“, vernahm sie plötzlich neben sich eine Stimme. Gleichzeitig spürte sie eine Berührung an ihrer Schulter. Sie erkannte seine Stimme sofort. Auf einmal stand er neben ihr. Er war von links gekommen, vielleicht von der Toilette. Jetzt stand er neben ihr und beide standen vor Daniel in der Löwengrube. Sie liebte ihn. Er lächelte verlegen, sprachlos. Seine weißen Zähne, die dunkelblonden Locken, die weit in die Stirn hineinhingen, die hellblauen Augen – alles war sofort wieder da, ganz und gar er. Sie liebte ihn. Sie brauchte nur dem Impuls zu folgen, der über jede Zelle in ihrem Körper die Kontrolle übernommen hatte, und umarmte ihn. Aber Kathi merkte sofort, dass jetzt nicht der große Versöhnungstag mit Alles-wieder-gut-Effekt gekommen war. Das ganze Problem lag tiefer, ließ sich nicht mit einer Umarmung aus der Welt schaffen. Patrick war reserviert, fast kühl. Er hielt sie nicht in den Armen wie sonst und er war ängstlich darum bemüht es nicht zum Kuss kommen zu lassen. Seine Reaktion verletzte sie und eine Mischung aus Wut und Enttäuschung machte sich in ihr breit. Es war Zeit ihn endlich zur Rede zu stellen. Sie setzten sich an den nächstgelegenen Tisch. „Möchtest du was trinken?“ Er fragte wie beim ersten Rendezvous. „Eigentlich bräuchte ich ja’n doppelten Bacardi, aber so was werden die in dem Laden hier wohl nicht haben, oder?“, spottete sie. „Cola?“ „Wie du meinst.“ „Du bist wütend auf mich.“ „Wie konntest du so was machen? Wie konntest du? Dieser Anruf, das war, das war ’ne bodenlose Sauerei!“ Um Kathis Fassung war es geschehen. Ihr letzter Satz ging in einem Schluchzen unter, das sie schon länger, vielleicht seit Tagen, in sich gespürt hatte und das jetzt wie ein Sturzbach alle Dämme durchbrach. „So behandelt man vielleicht irgend’ne hergelaufene Tussi, die einem scheißegal ist, aber...“ Er nahm ihre Hand. Es tat so gut seine Nähe zu spüren. „Es tut mir Leid, Kathi, ich wollte dich nicht verletzen. Es ist einfach so viel auf mich eingestürzt die letzten Tage...“ „Ja, und ich war der letzte Mensch auf dieser Welt, mit dem du drüber sprechen wolltest. Vielen Dank!“ „Es war...“ „Vertrauen ist doch das Wichtigste in einer Beziehung, Paddi! Das sind doch deine Worte!“ Allmählich hatte sie sich wieder in der Gewalt. Sie schnäuzte sich und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Es war...“ „Was war es? Mord?“ Patrick wurde blass. „Wie bitte? Was...?“ „Hast du sie umgebracht?“ „Wovon redest du?“ Seine Fassungslosigkeit machte ihr Spaß. „Ja, was glaubst du, was ich die letzten drei Tage gemacht habe, Däumchen gedreht? Ich kenn’ die ganze Geschichte. Ich kenne Charles, deinen Vater und Großvater, Frau Bayer und Frau Moewig, natürlich auch Mr. Reynolds, den Nachfolger deines Freundes Williamson, und ich kenne auch den kleinen Ottiwell und die beiden Taugenichtse, die bei diesem mysteriösen Feuer ums Leben gekommen sind. Hast du das Baumhaus abgefackelt?“ „Ich?“ Sie drückte seine Hand fester. „Und bist dann abgehauen? Du kannst mir alles sagen, Paddi, ich renn’ bestimmt nicht zur Polizei und zeig’ dich an. Vertrau mir doch bitte!“ Ihre Stimme nahm einen drängenden Ton an. Patrick sah aus, als würde er soeben Zeuge eines furchtbaren Unglücks. „Du glaubst, das Baumhaus hat jemand angezündet?“ „Ich weiß nicht, es ist doch ein merkwürdiger Zufall, dass...“ „Du hast Recht“, unterbrach er sie. Dann schwieg er. „Also?“ Patrick sah sich hilfesuchend um. Schließlich sagte er: „Weißt du was? Ich brauch’ bisschen frische Luft. Lass uns doch ’ne Runde spazieren gehen und dann erklär’ ich dir alles.“ „Nehmen Sie Platz.“ Dr. Fredericks bot dem jungen Vikar einen Platz in seinem geräumigen und außerordentlich stilvoll eingerichteten Wohnzimmer an. „Meine Haushaltshilfe hat leider heute frei. Osterfeiertag, Sie verstehen schon. Darf ich Ihnen einen Wein anbieten?“ „Aber selbstverständlich, gern.“ Als endlich auch Dr. Fredericks mit einem Glas Wein vor sich Platz genommen hatte, setzte er eine überbetont sorgenvolle Miene auf und sagte: „Ja, Herr Vikar, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“ „Beginnen Sie einfach beim Anfang“, versuchte sich Reynolds in einem Scherz. „Vielleicht ist es einfacher, wenn Sie beginnen. Ich hatte heute im Gottesdienst die ganze Zeit über so ein Gefühl, als wollten Sie mir gern etwas ganz Bestimmtes mitteilen und als fehle ihnen nur die Intimität privater Gemächer um, sagen wir, klarere Worte zu finden als die von Ihnen bemühten schwülstigen Begriffsantiquitäten aus der Bibel.“ Der Vikar seufzte und setzte eine überbetont sorgenvolle Miene auf. „In der Tat, Dr. Fredericks, ich habe Sorgen“, bekannte er schließlich. „Ach. Als hätte ich’s nicht geahnt!“ „Und Sie sind der Grund dafür.“ „Sie meinen doch nicht meine kleine – sagen wir – Entgleisung nach Ihrem alles in allem wirklich eindrucksvollen Gottesdienst heute?“ „Wenn’s nur das wäre, wär’ ich ja froh, Dr. Fredericks. Ihre ganze Lage macht mir Sorge: Ihr Sohn, der spurlos verschwunden ist, Ihr Neffe Charles, von dem mir besorgniserregende Dinge berichtet werden. Der ist so ein bisschen in den Rechtsextremismus abgerutscht. War Ihnen das bekannt?“ „Ach, wer erzählt denn so was?“ Unvermittelt erhob sich Reynolds und stellte sich unter den fragenden Blicken seines Gastgebers vor eines der Bücherborde. Er fand rasch, wonach er suchte, nahm das Buch heraus und sagte, während er auf seinen Platz zurückschritt und dabei in dem Buch blätterte: „Sie selbst machen mir auch Sorgen, Dr. Fredericks. Dieses Buch hier zum Beispiel, das ist mir schon bei meinem letzten Besuch aufgefallen. Sie haben keine Vorstellung davon, wie gefährlich so was ist.“ Dr. Fredericks lächelte. „Sie belieben zu scherzen.“ Reynolds wurde ernst: „So lustig ist das nicht, Dr. Fredericks. Ich glaube, dass es hier in Mistwater eine rechtsradikale Gruppierung gibt, die ihre Glaubenssätze wohl unter dem Eindruck akademischer Phrasendrescherei noch um ein paar satanistische Verhaltensregeln aus dem Buch von Crowley angereichert hat, und es erscheint mir ganz und gar nicht abwegig, dass das hier“ – Reynolds ließ seine Hand durch den Raum kreisen – „die Brutstätte all dieser kruden Lehren ist. Denn Charles – so viel Offenheit sei mir gestattet – macht auf mich beim besten Willen nicht den Eindruck, als würde er sich solche Dinge selbst anlesen. Herausgekommen ist dabei am Ende ein merkwürdiger Mix aus verstaubter Nazi-Ideologie und den Lehren des Urvaters der Satanismus-Bewegung. Dass aber auch nicht früher jemand darauf gekommen ist, die beiden Sachen zusammenzubringen! Die passen ja schließlich zusammen wie Pat und Patachon. Crowley sagt: ‚Tue, was du willst!’ und Hitler exerziert durch, wie das praktisch aussieht. Es gibt nicht wenige, die glauben, dass Hitler besessen war, wissen Sie das? Besessen nicht etwa von Machtgier oder Hass oder Wahnsinn, das gab’s lediglich, sozusagen als Nebenprodukt, noch gratis dazu, sondern besessen ganz praktisch und real: vom Teufel, von Dämonen.“ „Wo wollen Sie mit mir hin, Mr. Reynolds, ins Mittelalter?“ „Ach! Da sind wir doch längst angekommen, Dr. Fredericks! Oder sind die Hexensabbate, bei denen man Charles als Anführer ausgemacht hat, vielleicht Aufklärung? Die Verklärung Hitlers zu einem Ritter ohne Furcht und Tadel, nennen Sie das modernes Denken? Wo ich mit Ihnen hin will? Ich kann es Ihnen sagen, Dr. Fredericks: in die Zeit, da die Ihren sich noch Friedrichs nannten, in die Zeit, da ein gewisser Dr. Alexander Friedrichs eine höchst zweifelhafte Karriere begann.“ „Na, lieber Mr. Reynolds, bei Ihnen geht ja so einiges durcheinander. Hexen, Hitler... Haben Sie noch was mit H? Vielleicht Haschmich? Sicher kommen Sie mir gleich wieder mit dieser Frau Bayer, mit der Sie mich schon beim letzten Mal in Atem gehalten haben. Dass Theologen von Berufs wegen mit einem Übermaß an kreativer Fantasie ausgestattet sein müssen, die einem hilft widersprüchliche Aussagen zusammenzubringen, war mir zwar immer schon klar, aber Ihr heutiger Anschauungsunterricht überbietet wirklich jede Theorie!“ „Zum Glück gab es bei den Nachforschungen zu Ihrer Familiengeschichte nicht so viel Widersprüchliches zusammenzubringen. Es fügte sich alles wunderbar in eins! Und jetzt hat die Vergangenheit Sie offensichtlich eingeholt.“ „Du hast Recht“, sagte Patrick. „Das Baumhaus wurde angezündet.“ Sie befanden sich, einen Steinwurf vom Café entfernt, auf dem Gelände der St.-Matthew-Church. Hinter dem backsteinroten Gemäuer lag eine kleine Parkanlage, durch die ein Gehweg führte. „Aber nicht von mir.“ „Von wem dann?“ „Von Ottiwell.“ „Wie bitte?“ „Und es war auch kein Unfall. Ottiwell ist nicht der Prügelknabe vom Dienst, der kleine Idiot, mit dem man machen kann, was man will. Das wirst du ja auch gemerkt haben, wenn du mit ihm gesprochen hast. Er ist nicht der Typ Junge, der sich prügeln und demütigen und am Gängelband führen lässt. Er hat seinen Stolz und er ist clever, furchtbar clever. Und das haben die beiden Typen zu spüren bekommen. Sie hätten die Finger von Balthasar lassen sollen. Balthasar war Ottiwells Teddy.” „Ich weiß.” „Aber eigentlich war Balthasar mehr so etwas wie ein Haustier. Dinge können einem ans Herz wachsen, weißt du... Balthasar vor seinen Augen zu zerfleddern, das war seelische Grausamkeit ohne Not, ohne Sinn und Verstand. Ottiwell schlich in sein Baumhaus zurück, hat geweint – aber mehr vor Wut als vor Trauer – und als er sich beruhigt hatte, wurde aus seinem heißen Zorn kalter Hass. Kalter Hass ist gefährlich. Denn wenn du dich innerlich beruhigt, aber immer noch diese Hassgefühle in dir hast, dann gesellt sich zu ihnen die nüchterne Überlegung und der klare Verstand. Ottiwell hat beschlossen, dass die beiden aus seinem Leben verschwinden werden, ein für allemal. Und er hat gegrübelt, wie das ginge. Seine Mutter war ihm keine Hilfe. Polizei? Was hatten die beiden denn schon gemacht außer Sachbeschädigung? Konnte die Polizei verstehen, dass Balthasar mehr war als eine Sache? Außerdem – wenn er Ernie und Phil Ärger machte, musste er das beim nächsten Mal doppelt ausbaden. Dass man das Böse bekämpfen, ausrotten muss, das war ihm schon immer klar. Und in seinen Batman-Comics ging das auch immer kurz und schmerzlos über die Bühne. Und wenn Batmans überlegene Intelligenz ihn über seine Widersacher triumphieren ließ, so wusste Ottiwell, dass ihm dasselbe auch möglich war. Er brauchte nur in Ruhe zu überlegen. Und das hat er gemacht – bis ihm ihm eine Idee kam, die ebenso grausam wie effektiv war: Er musste die Jungs in sein Baumhaus locken, von dem nur er wusste, er musste dafür sorgen, dass sie beide allein darin waren und er musste dafür sorgen, dass sie darin starben ohne dass es aussah wie Mord. Er hat also das Baumhaus mit Benzin getränkt, mit Benzin, das er extra über die Lieferantenzufahrt von der nächsten Autobahntankstelle besorgt hatte, damit es aussah, als würde irgendeiner von Millionen Autofahrern seinen Sohn den Reservekanister füllen lassen. Dann hat er die Beute angelockt: Er hat den beiden, als sie ihn das nächste Mal bedrängten, erzählt, dass er in seinem Baumhaus Geld versteckt hätte, und wohl auch wirklich etwas darin versteckt – die beiden haben’s gierig geschluckt –, ist vorgegangen, hat, als beide drin waren, das Baumhaus durch die Oberluke verlassen und, ehe die beiden rafften, was los war, die Hütte oben und unten verriegelt. Ein Streichholz fiel durch eine Ritze und – pfoff! – die Hütte stand in Flammen.“ „Das ist ja furchtbar.“ „Es geht noch weiter: Zu Hause vergnügte sich seine Mutter gerade mit ihrem neuen Lover und hatte Ottiwell Stubenarrest erteilt. Während die dachte, er habe sich beleidigt eingeschlossen, hat er seinen CD-Player auf Repeat all laufen lassen, das Zimmer von außen abgeschlossen und sich rausgeschlichen. Dann ist er so nach Hause gekommen, dass ihn niemand gesehen oder erkannt hat, wieder in sein Zimmer gegangen und dann brauchte er nur noch einmal von innen abzuschließen und hatte zu allem auch noch ein Alibi. Mal ganz davon abgesehen, dass ja sowieso alle glaubten, dass die beiden geraucht hätten und dabei eingeschlafen seien. Auf Ottiwell fiel nicht der geringste Verdacht.“ „Das glaub’ ich einfach nicht.“ „Aber es ist nun mal eine Sache so was sauber und gewissenhaft durchzuführen...“ „Du meinst wohl, sauber und gewissenlos!“, protestierte Kathi. „Also gut, so etwas sauber und gewissenlos durchzuführen und danach ruhig schlafen zu können. Ich glaube, er hat sich keinerlei Gedanken über die Konsequenzen gemacht. Als ich mit ihm sprach, war er total aufgelöst. Dass man im Regional-Fernsehen die Bilder der verzweifelten Mütter sieht und nachts von feurigen Alpträumen geplagt wird, das kam in seinem Batman-Universum nicht vor. Da werden die Bösen platt gemacht und die Welt ist besser.“ „Das hat er dir alles erzählt?“ „Ich bin für ihn Vater und großer Bruder gleichzeitig. Als ich ihn kennen lernte, war er ein Häuflein Elend: Seine Mutter hatte nie Zeit, die musste sich um ihren neuen Job kümmern und zusehen, dass abends was auf den Tisch kam, und sein Vater ließ sich am Telefon immer verleugnen. Ich hab’ ihn mit dem Fahrrad angefahren, als ich im Winter hier war. Es war glatt und ich bin weggerutscht, genau in ihn rein, der am Bürgersteig stand. Dann hab’ ich mich um ihn gekümmert und irgendwie sind wir ins Gespräch gekommen über Väter. Er hatte so seine liebe Not mit seinem und ich – na, du hast meinen Daddy ja kennen gelernt, nicht?“ Kathi nickte. „Seitdem – ich weiß auch nicht. Ich fühlte mich für ihn verantwortlich. Ich wusste als einziger auch von dem Baumhaus, von Balthasar, Batman und den anderen, die für Ottiwell wichtig waren. Deswegen war mir auch gleich klar, dass er mit diesem Unfall zu tun haben musste.“ „Aber muss man denn nicht der Polizei...?“ „... alles sagen? Ich hab’ mich das natürlich auch gefragt, aber machen wir uns nichts vor, Kathi: Wen macht das froher?“ „Ich weiß nicht, aber...“ „Es ist natürlich Sünde, schwere Schuld, die er auf sich geladen hat und das ist es, finde ich, wo was geschehen muss. Der Hass muss weg. Aber ich glaube, seit er die weinenden Mütter auf dem Bildschirm gesehen hat, ist er das schon.“ „Trotzdem. Man kann das doch nicht auf sich beruhen lassen. Und dann auch die Geschichte mit deinem Vater. Das ist es doch, wovor du eigentlich davongelaufen bist, oder?“ „Ich staune über dich, Kathi, du bist großartig. Wie hast du in so kurzer Zeit herausgefunden, wofür ich Monate, ach was, Jahre brauchte?“ „Naja, ich brauchte ja nur deinen Spuren zu folgen. Du hast ja die ganze Vorarbeit geleistet.“ „Mit Bayer, Moewig und so weiter, ja. Das ist wirklich eine heiße Geschichte, absolut filmreif. Im Grunde liegt der Grund für alles schon in meiner frühesten Jugend. Deutschland – was ja eindeutig die Wurzel meiner Familie, zumindest väterlicherseits, ist, wurde tot geschwiegen. Wann immer ich eine Frage zu Deutschland hatte, zu unserer Familiengeschichte, zu den Vorfahren – nichts. Ein rotes Tuch. Das hat mich natürlich erst recht neugierig gemacht. Irgendwann fand ich dann diese Karte in Omas altem Nachttisch. Kinder sind eben neugierig. Opa schickte Oma eine heitere Ansichtskarte aus Hamburg, datiert vom November 1971. Mir gefiel die Stadt, ich hängte sie mir ins Zimmer und es gab prompt Ärger mit Dad. Ich solle doch mehr Respekt vor Opas Habseligkeiten haben und so weiter. Hatte ich natürlich überhaupt kein Verständnis für. Eine totale Überreaktion. Und wie das bei Kindern so ist – jetzt war Hamburg für mich erst recht interessant. Viele Jahre später stieß ich in einem alten Taschenkalender von 1971, aus Opas Rollschrank, auf einen Eintrag über Moewig. „Moewig wieder aufgetaucht“, stand da oder so ähnlich und noch einiges mehr, was ich irgendwie geheimnisvoll fand. Dad danach zu fragen, traute ich mich zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr. Und besonders wichtig war das ja auch nicht. Nichts Weltbewegendes. Meine Fantasie, die Fantasie eines Vierzehnjährigen, der langsam anfängt mehr von der Welt zu begreifen, war zwar angeregt, aber ich sah noch gar nicht die Verbindung zu der Hamburg-Postkarte. Und ich hab’ diese Sache nachher auch fast wieder vergessen.“ „Oder wollen Sie mir weismachen, Ihr Vater wäre auf Distanz zu seiner Nazi-Vergangenheit gegangen und hätte in irgendeiner Form Reue gezeigt, Buße getan? Keine Spur. Statt dessen hat er den ganzen Nazi-Abfall weiter mit sich rumgeschleppt und auch noch an Sie vererbt. Und Sie fanden, nachdem sich Ihr eigener Sohn als untauglich erwiesen hatten, einen weiteren treuen Erben in Ihrem Neffen Charles, den Sie wahrscheinlich rücksichtslos manipuliert haben. Ist es nicht so, dass Charles nach der Scheidung Ihres Schwagers von Ihrer Schwägerin für Sie so eine Art Ziehsohn geworden ist, der aufblickte zu dem gebildeten Mediziner und willig nachplapperte, was Sie ihm eintrichterten?“ Dr. Fredericks schenkte sich Wein nach. „Lieber Mr. Reynolds, ich bin Ihnen wohl kaum Rechenschaft über meine Familienangelegenheiten schuldig. Nur so viel: Mein Schwager war ein totaler Versager und wenn aus dem Jungen noch was Anständiges wird, ist es sicher nicht sein Verdienst oder das meiner Schwägerin.“ „Und Ihr Vater?“ „Mortuis nil nisi bene, Mr. Reynolds. Oder kommt der Satz in Ihrem Kirchenlatein nicht vor?” „Womit Sie also zugeben, dass er im Hinblick auf seine zweifelhafte Karriere unter den Nazis keinerlei Reue empfand.“ „Als wir dann den Zweiten Weltkrieg in der Schule durchnahmen, knirschte es zu Hause mächtig im Gebälk. Einige Ansichten meines Vaters stießen bei mir zunehmend auf Unverständnis. Hitler müsse man ganz anders sehen, als er in den Geschichtsbüchern dargestellt werde, und so. Ich wusste überhaupt nicht, was ich davon halten sollte. Nach der Schule schließlich die fixe Idee in Deutschland zu studieren. Alles kam mit aller Gewalt wieder hoch und es gab mächtig Stress. Aber ich bekam die Zulassung für Hamburg. Und dann war es nur noch ein Katzensprung bis ins Seminar von Professor Herhaus zu Euthanasieprogrammen der Nazis. Auf einmal war ich wieder mittendrin in diesem Kapitel. Inzwischen gab es das Internet, eine Entwicklung, die niemand voraussehen konnte und die für Leute mit finsterer Vergangenheit nicht gerade von Vorteil war, und jetzt gingen meine Recherchen erst richtig los. Alles, was ich wusste, war, dass Großvater in Hamburg tätig gewesen war, aber ich fand bald heraus, dass er Anfang der Dreißiger bereits eine leitende Funktion in den Alsterdorfer Anstalten innehatte und dort die Verfügungen zur Deportation von behinderten Kindern unterschrieb. Einige kamen nach Österreich in die Klinik „Am Spiegelgrund“, andere nach Hamburg-Rothenburgsort, aber das Schicksal, das sie erwartete, war das gleiche. Für Behinderte war in der Nazi-Ideologie kein Platz. Der Zufall wollte es, dass ich die Bekanntschaft von Erna Bayer machte, die sich um einen Grabstein für ihre Schwester Emmi bemühte und die aus diesem Grunde in einer ähnlichen Recherchearbeit steckte wie ich. Was sie mir erzählte, ließ keinen Zweifel an der Schuld meines Großvaters. Dann fielen mir auf einmal Opas Taschenkalender und die Geschichte von 1971 wieder ein. Als ich Weihnachten zu Hause war, wühlte ich noch einmal wie wild nach dem alten Ding und tatsächlich – Nostalgie sei Dank – der Kalender war noch da, der Name Moewig auch. Mit Hilfe des Internets hatte ich bald die Bestätigung für meine Vermutung, dass Moewig als junger Assistenzarzt zur gleichen Zeit in den Alsterdorfer Anstalten tätig war wie mein Großvaters, ein Kollege also. Vermutlich weißt du auch schon...“ „Aber ein anderer hat Reue empfunden, nicht wahr? Und der kam Ihnen eines Tages mächtig ins Gehege.“ Dr. Fredericks sah überrascht auf. Er brachte nur ein schwaches: „So?“ hervor. „Ist Ihnen jemals der Name Moewig begegnet?“ Der Arzt gab sich alle Mühe unbeeindruckt zu wirken. „Fahren Sie fort, ich bin schon sehr gespannt, was Sie sich als nächstes zusammenfabulieren.“ „Ein gewisser Dr. Moewig wurde im November 1971 erhängt im Segeberger Forst, einem Waldstück nördlich von Hamburg, aufgefunden. Alles sprach für einen Selbstmord, aber Sie und ich wissen, dass Dr. Moewig in Wirklichkeit ganz anders zu Tode kam, nicht wahr?“ Kathi nickte. „Nach dem, was du wusstest, kam dir Selbstmord natürlich nicht mehr sonderlich plausibel vor.“ „Ich sprach dann auch mit der Witwe Moewig über den Tod ihres Mannes, aber alles, was sie wusste oder erzählen wollte, war, dass ihr Mann von einer geschäftlichen Besprechung in Schleswig-Holstein nicht zurückgekehrt war. An die Selbstmord-Theorie wollte sie nie glauben, allerdings auch nichts davon wissen, dass ihr Mann in Euthanasie-Verbrechen verwickelt gewesen sein könnte. Ich versprach ihr sie später wieder anzurufen, wenn ich die Gewissheit hätte, dass ihr Mann nicht Selbstmord begangen hat. Und um das herauszufinden stellte ich Dad zur Rede. Denn für mich war das Maß voll. Für mich war klar, dass Opa in seinem Alter unfähig gewesen sein musste Moewig alleine umzubringen. Dad, damals Anfang zwanzig, musste ihm tatkräftig zur Seite gestanden habe. Es war furchtbar. Immer wieder malte ich mir aus, was für eine Rolle er dabei gespielt hat: Ist er von hinten gekommen, während Opa diesen Moewig ablenkte, und hat ihn erwürgt? Oder haben sie ihn zusammen überfallen, aufgeknüpft und in den Baum gehängt? Immer wieder hatte ich diese finstere Szene vor Augen, wie sie Moewig gemeinsam ermorden und dann kaltblütig ihre Spuren verwischen. Ich bekam Alpträume! Der Krach war vorprogrammiert. Dad wollte von der ganzen Geschichte nichts wissen. Meine Fantasie sei mit mir durchgegangen, meinte er. Ich musste die ganze Geschichte loswerden und ging zu Williamson, der mir versprach das alles vertraulich zu behandeln.“ „Trotzdem gab es einen Zeugen, eine Gebetsnotiz, die Pastor Reynolds zufällig gefunden hat und die uns half der ganzen Geschichte auf die Spur zu kommen.“ „Wie bitte?“ „Sonst wären wir ja der ganzen Sache gar nicht auf die Spur gekommen“, erklärte Kathi. Sie blühte richtig auf, als sie merke, dass sie mehr wusste als Patrick. „Und besonders interessant daran ist, dass diese Notiz einen Hinweis darauf enthält, dass Williamson anschließend noch ein Gespräch mit deinem Vater hatte.“ „Wie bitte? Ich hatte keine Ahnung... Wo ist der Vikar jetzt? Kann man ihn erreichen?“ „Ich glaube, er wollte sich heute Nachmittag... mit deinem Vater treffen.“ „Was? Aber dann wäre es ja möglich, dass er... dass sein Tod... Kathi, wir müssen sofort nach Mistwater!“ Patrick beschleunigte seinen Schritt, so dass sie kaum folgen konnte, und eilte auf den Ausgang des kleinen Parks zu. „Wie denn?“, rief sie ihm nach. „Das Café hat einen eigenen Transporter. Den müssen wir mal schnell ausleihen – dringender Notfall!“ Dr. Fredericks hob die Beaujolais-Flasche hoch und winkte dem Vikar damit zu. „Nehmen Sie doch noch einen Schluck Wein, Herr Vikar, das beruhigt die Nerven.“ „Hab’ noch, danke.“ „Aber Sie haben ja kaum was getrunken“, stellte der Doktor mit einem prüfenden Blick auf das Glas des Vikars fest. „Also Ihr Herr Jesus hat dem Wein aber mehr zugesprochen!“ „Es gibt da noch eine Sache, die mir keine Ruhe lässt“, kam Reynolds zum Thema zurück. „Am 15. März hatten Sie eine private Unterredung mit Pfarrer Williamson. Wenige Stunden später ist der gute Mann tot...“ „Gott hab’ ihn selig.“ „Geben Sie zu, dass Sie mit meinem Vorgänger ein solches Gespräch hatten?“ „Aber warum sollte ich denn so eine Banalität leugnen?“ „Weiß sonst noch jemand von diesem Gespräch?“ „Es handelte sich um eine private und vertrauliche Unterredung. Wer sollte also davon erfahren haben? Zumal niemand danach gefragt hat.“ „Wollen Sie nicht wissen, woher ich davon weiß?“ „Ist mir ganz egal. Vielleicht hat seine Sekretärin, diese Miss...“ „Eliot.“ „Danke. Ja, vielleicht von der. Aber ich sehe nicht, worauf Sie hinaus wollen.“ Der Doktor hatte seine volle Souveränität wiedererlangt und wirkte zu Reynolds’ Überraschung fast vergnügt. Er nahm sein Weinglas in die Hand und schien dem Vikar zuprosten zu wollen. Der lehnte mit einer Handbewegung ab. „Ich habe das dumpfe Gefühl, dass ich mich bei Ihrem Wein nicht so ganz wohl fühle. Vielleicht liegt es daran, dass ich die ganze Zeit meinen Vorgänger vor mir sehe, wie er ebenfalls mit Ihnen an einem Tisch sitzt und sich von Ihnen ein paar Gläser vom eigens mitgebrachten Wein einschenken und sich arglos zum Wohl zuprosten lässt. Und dann sehe ich, wie ihm nach den vielen ‚Zum Wohls’ auf einmal furchtbar unwohl wird und wie er tot umfällt. Und ich sage mir: Für einen so versierten Mediziner wie Dr. Reynolds, Arzt in der dritten Generation, wäre es doch ein Kinderspiel so einen alten, unbequemen Mann mit Hilfe eines schwer nachweisbaren Mittels etwas verfrüht in die Ewigkeit zu befördern.“ Patrick saß am Steuer des alten Ford-Transit, der zum Café gehörte, und neben ihm saß Kathi. Zuvor hatten sie noch Ollie, den Café-Hausmeister, aus dem Schlaf klingeln müssen, der die Schlüssel für den Wagen wieder mal nicht ordnungsgemäß am Tresen hinterlegt hatte. „Es fällt mir einfach schwer zu glauben, dass du all dein kritisches Denken von heute auf morgen über Bord wirfst und so ein – entschuldige – komischer Heiliger geworden sein sollst.“ „Ich hab zu tief in die Fratze des Bösen geschaut, Kathi, ich hab zu nah am Abgrund gestanden und was ich da unten in der Tiefe gesehen hab, das hat mich so erschreckt! Hast du schon mal so lange in den Spiegel geschaut, dass dir das, was du gesehen hast, irgendwann fremd wurde? Und du hast dich gefragt: Wer ist das? Bin ich das? Manchmal wird einem dabei richtig unheimlich. So ging’s mir, als ich mich mit diesem Fall beschäftigt habe und mit Ottiwells Fall. Ich konnte sie plötzlich verstehen. Ich würde es vielleicht trotzdem anders machen, aber, verstehst du, mir wurde klar, warum sie das gekonnt haben. Ich konnte mich in ihre Lage versetzen und es wurde mir auf einmal so normal, wie sie gehandelt haben. Das hat mich so erschreckt! Wenn du in solche Abgründe schaust, die die Abgründe deiner eigenen Seele sind, kannst du nicht weitermachen wie bisher. Viele Leute behaupten, sie können nicht glauben. Ich glaube, das ist Quatsch. Ich glaube, das gibt es überhaupt nicht. Weil das Glaubenkönnen per se zum Menschsein dazugehört. Das wohnt uns allen inne und zwar als Gabe des Schöpfers an sein Geschöpf. Glauben heißt ja nichts anderes als in einer bestimmten Situation, sozusagen auf Verdacht und ohne letzte Gewissheit zu haben, davon auszugehen, dass eine bestimmte Sache wahr ist oder eintreten wird. Glaube erfordert also eine Entscheidung. Aus dem Grunde bin ich überzeugt, dass Glauben und Glaubenwollen ein und dasselbe sind. In der Bibel gibt es einen Mann, der genau das gleiche Problem hat wie du und wie ich es bis vor kurzem auch hatte. Er kann nicht glauben. Aber er will seinem Sohn helfen, der anscheinend von epileptischen Anfällen geplagt wird. Er hat gehört, dass Jesus Kranke heilen kann. Also will er es ausprobieren. Was kann’s schaden? Dann trifft er Jesus, fleht ihn an seinem Sohn zu helfen und bekennt: ‚Ich glaube; hilf meinem Unglauben.’ Es ist völlig klar, dass ‚ich glaube’ hier das gleiche bedeutet wie: ‚Ich will glauben.’ Denn sonst würde es ja keinen Sinn machen, dass der Mann gleichzeitig darum bittet seinem Unglauben abzuhelfen. Und damit ist klar: Die Bibel setzt Glauben und Glaubenwollen gleich. Wir lernen zwei Dinge: Erstens, Glaube wird uns von Gott geschenkt. Zweitens, aber wir müssen es wollen. Also: ‚Ich will glauben. Bitte hilf mir.’ Das sind die beiden Voraussetzungen um dem „Ich-kann-nicht-glauben“-Dilemma zu entkommen. Man entscheidet, dass man das jetzt will. Glauben zu können ist dem Menschen genauso in die Wiege gelegt wie atmen können oder schlafen können. Warum nimmt die Mutter ihrem Sohn die windige Begründung dafür ab, dass er viel zu spät nach Hause kommt? Wieso glaubt ein Richter dem Angeklagten seine abstruse Version des Tathergangs? Wieso glaubst du, dass alles gut wird, wenn du mich nur hier in England wiederfindest? In all diesen Fällen gibt es nichts Nachprüfbares, keine unwiderlegbaren Beweise, keine Sicherheit. Die Wahrheit liegt im Verborgenen. Die Mutter weiß nicht, was wirklich vorgefallen ist, der Richter hat Indizien und ein unbestimmtes Gefühl, aber keine Beweise. Und du? Woran klammerst du dich? Es gibt also nichts, was in all diesen Fällen zwingt an einen bestimmten Sachverhalt zu glauben. Höchstens ein paar vage Gefühle. Nun also die Frage: Warum entscheiden sich Mutter und Richter und Kathi so und nicht anders? Aus gutem Willen? Aus Mitleid? Aus dem Bauch heraus? Aufgrund irgendeiner emotionalen Regung? Natürlich steckt immer irgendein Interesse, eine Betroffenheit, ein Wunsch, eine Angst dahinter. Aber letztlich spielt es gar keine Rolle, warum. Die Menschen entscheiden sich zu glauben, weil sie es können. Fertig, aus.“ „Aber sie können irren.“ „Glauben schließt die Möglichkeit des Irrtums per se mit ein. Das liegt in der Natur der Sache. Entscheidend ist aber nur, dass der Weg der Wahrheitsfindung durch Nachprüfung versperrt, für alle Zeit versperrt ist.“ „Glauben heißt also: Ich entscheide mich und das war’s?“ „So sehe ich’s. Jedenfalls glaube ich nicht die Bohne an den Satz: ‚Ich kann das nicht glauben.’ Ich habe gesehen, gehört, miterlebt, was Menschen alles glauben können, Kathi! Es ist der Horror. Ich habe meinen Augen und Ohren nicht getraut, als mir Charles irgendwann seine Theorien über Hitler und Auschwitz und was weiß ich nicht alles vorgestellt hat: Auschwitz sei ein Schwindel, alles Fake, auf Zelluloid gebannte Inszenierungen der Amerikaner, wahrscheinlich der Juden unter den Amerikanern. Hitler sei völlig falsch, einseitig und verzerrt, dargestellt worden. Übrigens ist auch die ganze EU-Chose eine einzige Verschwörung, deren hinterhältige Drahtzieher skrupellose Zionisten in geheimer Undercover-Kooperation mit dem Weltjudentum sind. Alle führenden EU-Politiker verständigen sich in einer geheimen Zeichensprache, die nur von wenigen Eingeweihten verstanden wird. Ach, das wusstest du nicht? Red mal mit meinem Cousin Charlie! Der kann dir zig irrwitzige Verschwörungstheorien erzählen, eine abgefahrener als die andere und sie alle verbindet das eine: dass sie Ausdruck einer totalen ideologischen Verblendung und Verirrung sind. Aber der glaubt das! Es ist kaum zu glauben, aber der glaubt das! Und das ist längst noch nicht alles! Ich habe Menschen kennen gelernt, die glauben, dass die Verbrechensquote in einer durchschnittlichen Stadt sofort gegen Null geht, wenn sich eine bestimmte Gruppe von Menschen am geometrischen Mittelpunkt der Stadt zur gemeinsamen ZEN-Meditation trifft. Menschen glauben, dass sie zu einem bestimmten Termin auf Teneriffa von einem UFO abgeholt werden und in die ewige Seligkeit reisen. Menschen glauben, dass Lemberg nie eine polnische und Breslau nie eine deutsche Stadt war – Geschichte hin oder her! Die kann man doch an’n Nagel hängen, wenn sie einem nicht passt! Menschen glauben, dass Stalin oder Mao oder Pol Pot tolle Typen waren, die der Menschheit nur Gutes gebracht haben. Ich finde, da habe ich’s mit Jesus doch noch ganz gut getroffen! Menschen glauben, dass am 20.11.2011 die Erde untergeht und dass sie zu den wenigen Auserwählten gehören, die das überleben werden. Menschen glauben, dass etwas Schlimmes passieren wird, weil ein Spiegel zerbrach oder eine Katze am Freitag, dem 13., vor ihnen über die Straße lief oder ein Hochzeitskleid am Morgen vor der Trauung mit Schwarzkirschmarmelade bekleckert wird. Mit anderen Worten: Menschen glauben jeden Scheiß, völlig unabhängig davon, ob das plausibel oder rational einsehbar ist oder auch nur der geringste Erfahrungswert dafür spricht oder nicht. Weil sie es wollen! Aber was vielleicht der schlimmste Irrglaube von allem ist, liebe Kathi: Menschen glauben, dass Wissenschaft und technologischer Fortschritt irgendwann alle Probleme der Menschheit lösen werden und am Ende alles gut wird. Das Vertrauen in den menschlichen Verstand und das menschliche Urteilsvermögen ist grenzenlos, aber es ist vor allem grenzenlos naiv und grenzenlos atheistisch, weil man davon ausgeht, dass das das Nonplusultra ist, dass dahinter nichts kommt, darüber nichts steht. Wir konstruieren und dekonstruieren und immer regiert die Vernunft, der menschliche Geist, das einzige Instrument, dessen wir uns zu all diesen Dingen bedienen können. Man geht also davon aus, Dinge auf dieser Welt nur erreichen, verbessern, ändern, schaffen, lösen zu können durch den eigenen Verstand und dass dieser Verstand nicht geschaffen wurde, sondern sich per Phylogenese gewissermaßen von selbst entwickelt hat. Oder besser gesagt: Man glaubt es. Und warum glaubt man das? Weil so viel dafür spricht, weil es so plausibel ist, weil es für die Brillianz des menschlichen Intellekts so klare Indizien wie Hiroshima, Tschernobyl und Klonschaf Dolly gibt? Und auf jedem Kontinent eine Handvoll Genozide? Nein, man glaubt es einzig und allein aus dem einen einzigen Grund: weil man es glauben will. ‚Ich glaube! Hilf meinem Unglauben!’ Das ist der paradoxe Hilfeschrei des postmodernen Agnostikers, der sich an die menschliche Vernunft klammert, weil ihm sonst nichts geblieben ist!“ „Aber Wissenschaft – und die verdanken wir nun mal der menschlichen Vernunft – ist nicht nur negativ!“, protestierte Kathi. „Du kannst nicht alles schlechtreden, was die Moderne für uns errungen, manchmal auch mit harten Bandagen erstritten hat: medizinischen Fortschritt, Gleichberechtigung, Abschaffung der Sklaverei, soziale Gerechtigkeit...“ „Den Kampf gegen soziales Unrecht hat Jesus schon ein paar Generationen vor den Freiheitskämpfern aufgenommen, an die du wahrscheinlich denkst. Um zu erkennen, was gut und was böse ist, brauche ich doch keine neuen, ausgeklügelten Ideologien, schon gar nicht, wenn sie mit so fatalen Systemfehlern auftreten wie bei Marx oder Robespierre. Nicht Fortschritt hätte da die Parole sein sollen, sondern Rückbesinnung. Postlewaite hat gesagt: Die Autonomie des Menschen ist der größte Mythos der Aufklärung. Seit der Aufklärung befindet sich die Menschheit im freien Fall und irgendwann schlägt sie auf, es gibt einen gewaltigen Knall – und aus ist’s! Wann das sein wird? Ich glaube – natürlich ist das nur eine Annahme –, wenn Wissenschaft und Technik so weit gediehen sind, dass sie Gott nicht nur wegrationalisiert haben, sondern auch all das zu leisten vermögen im schöpferischen Bereich, was ursprünglich Gott vorbehalten war: die künstliche – wir sagen künstlich und meinen damit unsere menschliche Kunst im Gegensatz zu dem immer noch unerreichten Können Gottes –, also, die künstliche Erschaffung von Leben, von Intelligenz, von Materie (man denke an die Alchimisten!), verbunden mit der technologischen Herrschaft über Raum und Zeit, über Atome und Himmelskörper, über Leben und Tod – mit dem Endziel Unsterblichkeit zu erlangen. Denn das Grundproblem unserer Geschöpflichkeit ist in Millionen Menschheitsjahren ungelöst geblieben: der Tod. Man muss sich auch heute noch begnügen mit der künstlichen Verlängerung des Lebens. Die Bandbreite reicht von einfachen Herzpillen bis hin zum legendären Kälteschlaf. Nebenbei fängt man an zu verfügen, welches Leben lebens-, schützens-, erhaltenswert ist und welches nicht. Und damit sind wir beim biblischen Baum der Erkenntnis. Was ist richtig, was ist falsch? Was ist gut, was böse? Für mich ist es beklemmend zu sehen, dass wir an all dem irgendwie dran sind. Und wenn irgendein kritischer Punkt überschritten ist, dann wird er, der Ewige, sich in seiner Macht und Herrlichkeit offenbaren und ihnen zeigen, dass nichts, nicht ein Gramm, von dem, was sie erreicht haben, über das Niveau von Stückwerk hinausreicht. Denn was ist der Turm zu Babel im Vergleich zum Himmelszelt? Und er wird wie damals einfordern, was wir als Geschöpfe schuldig geblieben sind. Dann wird vielleicht das Ende gekommen sein.“ „Glaubst du. Man könnte es auch so sagen: Alles reine Spekulation, eine Theorie von vielen.“ „Herr Vikar, Sie machen einen Scherz.“ Dr. Fredericks sah ganz ernst aus. Dann brach er plötzlich in lautes Gelächter aus. „Sie machen keinen Scherz! Was... entschuldigen Sie, aber was wollen Sie machen? Eine Exhumierung veranlassen?“ Reynolds zuckte nun seinerseits mit den Schultern. Dr. Fredericks kamen unterdessen vor lauter Heiterkeit fast die Tränen. „Sie würden nichts finden, lieber Herr Vikar! Gar nichts, glauben Sie mir. Und Sie können in aller Ruhe Ihren Wein austrinken. Ihre Fantasie ist mit Ihnen durchgegangen. Ich sag’s ja: Wenn man als Pfarrer all den Humbug glauben will, der da in Ihrem Buch der Bücher drin steht, da muss man schon Fantasie haben. Aber da wir uns ja hier in einem vertraulichen Gespräch befinden, in einem Beichtgespräch ohne Beichtstuhl sozusagen... Es ist doch so, nicht wahr?“ „Sie geruhen mich an meine Schweigepflicht zu erinnern, sehe ich das richtig? Sie sagen sich: Wenn das hier ein Beichtgespräch ist, dann kann ich alles offen sagen. Er wird es nicht gegen mich verwenden dürfen. Er wird sozusagen als Zeuge für alle Ewigkeit mundtot gemacht sein. Ist das Ihre Überlegung?“ Das Lächeln des Doktors gefror. Da er die Antwort schuldig blieb, fuhr Reynolds fort: „Ich möchte eines klarstellen, Dr. Fredericks: Ich bin Vikar und kein Detektiv. Und ich bin hier in meiner Eigenschaft als Seelsorger und als nichts anderes. Ich hatte Ihnen ja eingangs schon gesagt, dass ich mir ernsthaft Sorgen mache um Ihre Seele. Es sind unheilvolle Mächte, mit denen Sie sich eingelassen haben.“ „Ich bekomme gleich eine Gänsehaut. – Also, da wir das geklärt haben und da Sie ja so immens seelsorgerlich um mich besorgt sind, will ich Ihnen reinen Wein einschenken. Sie erlauben doch die in diesem Fall etwas – sagen wir – prekäre Formulierung.“ „Ich erlaube.“ „Legen wir einfach mal zugrunde, dass Ihr Gott existiert und Sie mit allem Recht haben, was Sie über meine Familie zu glauben wissen! Legen wir das also ungeprüft zugrunde, so bleibt eigentlich nur die Schlussfolgerung – für Sie ist das vermutlich Ironie des Schicksals –, dass Ihr Gott selbst, im Gegensatz zu so vielen Menschen, nicht das geringste Interesse daran hat, dass all diese schlafenden Hunde geweckt werden. Also, tun wir einfach mal so, als ob: als ob dieser Moewig die Unschuld vom Lande gewesen wäre und, wie Sie unterstellen, aus reiner Reue und nicht etwa aus weniger edlen Motiven heraus das von Ihnen projizierte Gespräch gesucht hätte...“ „Weniger edle Motive?“ „Sie sind doch der Experte für Todsünden, Herr Vikar! Nehmen wir mal Habgier, vielleicht gepaart mit Erpressung, vielleicht auch gepaart mit Rachsucht. Aber was tut das zur Sache? Wir fabulieren ja ohnehin nur ins Blaue hinein. Fabulieren wir also weiter: Ja, es gab dieses Gespräch mit Pfarrer Williamson. Ja, es war eine verdammt lästige Angelegenheit, ja es kommt zu einer, sagen wir mal, Auseinandersetzung zwischen uns. Ja, vielleicht gab es sogar Wein zu trinken, damit die Zungen nicht so schwer werden! Und dann will der arme Mann ratlos und schwer geprüft abends ins Bett gehen und es trifft ihn der Schlag. Ihr Gott höchstpersönlich greift ein und löscht sein Leben aus! Er will wohl, dass der alte Mann seinen Frieden hat und die alte Geschichte ruht! Oder dass der alte Mann ruht und die Geschichte ihren Frieden hat? Wie auch immer, Ihr Gott nimmt ihm die Last ab, die er mit sich herumtrug. Und mir nimmt er gleich auch noch eine Last ab. So schön kann das Leben sein! Ich hab’ ja selbst meinen Ohren nicht getraut, als ich am nächsten Morgen davon hörte. Und – Gott! – es fiel mir so schwer die passende Miene aufzusetzen, betroffen zu wirken. Ich meine, ich war zwar von diesem Todesfall betroffen, aber ja doch nicht in der Weise, wie es... na, Sie verstehen schon! Was bleibt? Ich meine: Was bleibt für Menschen wie Sie? Nur das eine: Gott hat den Vorhang zugezogen, der vermeintlich Böse lacht... Aber was heißt schon ‚böse’! So ist das Leben! Und nun sollte man die ganze Geschichte in Gottes Namen vergessen, begraben und ein paar Blümelein drauf pflanzen!“ „Weißt du, was für mich das absolut genialste und wahrste Stück Literatur auf der Welt ist?“, fuhr Patrick fort, als hätte er Kathis Einwand nicht gehört. Sie zuckte mit den Schultern. „Es ist der Schöpfungsbericht, der so genannte zweite Schöpfungsbericht: Adam und Eva im Paradies. Ich habe nie etwas Wahreres über den Menschen gelesen als in diesem Kapitel am Anfang der Bibel. Dem modernen Menschen, der mit Adam und Eva nicht mehr anzufangen weiß als mit Ken und Barbie, der sich höchstens noch über Feigenblatt und sprechende Schlange lustig machen kann, entgeht nämlich völlig, dass alles, alles drin vorkommt, was Menschen zu schlechten Menschen macht. Ich will jetzt gar nicht ausdiskutieren, ob Gott existiert oder nicht. Das lassen wir einfach mal beiseite. Aber vier Dinge sind allemal wahr und sie sind alle in diesem uralten Text enthalten: Erstens: sein wollen wie Gott – der Mensch will sich nicht vorschreiben lassen, wie er zu handeln hat, er will selbst entscheiden. Zweitens: die Folge von eins: Erkenntnis von Gut und Böse – beides muss nämlich jetzt neu, das heißt erstmals, definiert werden, nachdem Gott als höchste Autorität entthront wurde. Böse ist ab sofort, was mir schadet, und gut, was mir nützt. Und erst dadurch, dass ich auf der falschen Seite stehe, entsteht das so genannte Böse. Es ist das, was zwar einem anderen nützt, mir aber schadet. Zuvor, im ungetrübten Vertrauen darauf, dass Gott keine Fehler macht und niemanden zu kurz kommen lässt, war dieses Empfinden eine unbekannte, gleichsam verborgene Größe. Drittens: Unterdrückung des schlechten Gewissens – Adam und Eva verbergen sich. Sie beschleicht eine düstere Ahnung, die jeder Mensch kennt: Vielleicht war es doch nicht ganz richtig, was ich getan habe? Losgesagt von Gott sind wir dazu verdammt, Recht zu haben mit unserem Verhalten. Wer wird uns sonst rechtfertigen? Ergo: Was uns verdammt, auch in uns selbst, muss zum Schweigen gebracht werden. Adam und Eva schämen und verstecken sich. Und schließlich viertens: Leugnung von Schuld und Versagen. Wenn was schief läuft, haben immer die andern Schuld. Ausflüchte statt Umkehr. ‚War doch Evas Idee. Die Schlange! Die Schlange war’s!’ Und hier stehen wir nun am Anfang des 21. Jahrhunderts. Wir haben viel erreicht als unsere eigenen Herren und Götter – und wir haben eine Menge Scheiß angestellt. Was wir versuchen, wenn wir selbst Gott sein wollen, ist so aussichtslos wie der Versuch von Sysiphos seinen Felsbrocken den Berg hinaufzurollen. Und schließlich beantwortet der Schöpfungsbericht auch noch die Frage nach all dem, was uns so schmerzlich abgeht: nach Vollkommenheit und Ewigkeit. Beides werden wir nur bei unserem Schöpfer finden und nirgendwo sonst.“ „Und wie soll das deiner Meinung nach gehen? Gibt es irgendein Ritual zu befolgen oder wie muss ich mir das vorstellen?“ „Du erinnerst dich vielleicht an die Szene aus der Passionsgeschichte“, antwortete Patrick nach einem Moment des Nachdenkens, „in der Pilatus seine Hände wäscht vor den Augen des versammelten, des schreienden versammelten Volkes. Und man fragt sich: Warum macht der das? Alle denken, er will dem Volk zeigen – es ist symbolisch –: Schaut her, ich bin unschuldig an seinem Blut. Ich mach’ mir nicht die Hände schmutzig. Daher kommt ja auch die Redewendung „seine Hände in Unschuld waschen“. Aber wozu, habe ich mich gefragt, diese Geste? Wieso hat Pilatus das nötig? Es reicht doch, wenn er es sagt. Und muss er sich vielleicht rechtfertigen, noch dazu mit einer Geste, die nicht etwa römischen Ursprungs ist, sondern aus dem jüdischen Gesetz stammt? Er kann doch machen, was er will. Er ist der Statthalter. Er hat die Macht. Statt dessen lässt er extra Wasser kommen? Er steht da vorne vor dem Volk und lässt extra mit theatralischen Gehabe Wasser kommen und wäscht sich wirklich die Hände? Mit echtem Wasser? Was soll das? Das leuchtete mir nicht ein. Und irgendwann, Kathi, irgendwann ist es mir plötzlich klar gewesen: Er macht das zwar vor dem Volk, aber es steht nirgends, dass er das für das Volk macht. Er macht das für sich! Und warum macht er das? Dafür gibt es nur einen vernünftigen Grund: Es war wirklich Blut an seinen Händen. Pilatus fühlte wirklich, dass Blut an seinen Händen klebte. Aber nicht das Blut, das in diesem konkreten Fall vergossen werden sollte, das war nur Pars-pro-toto, ein Teil für das Ganze. Pilatus spürte, dass es das Blut dieser und von zigtausend anderen Entscheidungen war, die er kraft seines Amtes gefällt hatte, das er loswerden musste – eine Art existentielle Universalschuld oder universelle Existenzschuld. Ihm war auf einmal klar, dass es gar nicht anders ging, dass sein ganzes Leben so verlaufen war, dass er sich mit Blut befleckte. Und die Begegnung mit dem Opferlamm Gottes – gerade hatte er ihm noch Aug’ in Auge gegenübergestanden – , die hatte es ihm schlagartig klar gemacht: Sein ganzes Leben war ein einziges Blutvergießen, er konnte nicht morgens aufstehen, ohne dass abends seinetwegen Blut vergossen war. Und dieses eine Mal, wo er vesucht gegenanzugehen, wo er sich weigern will, dass schon wieder Blut an seine Hände kommt, weil doch dieser Jesus so offensichtlich unschuldig ist, da muss er seine universelle Ohnmacht erkennen. Es geht nicht! Er will ja nicht, aber es, man, die Umstände, die Welt zwingen ihn. Und so versucht er in einer völlig hilflosen, ja kindischen Geste diese Schuld loszuwerden – durch Wasser. Es ist doch dies nicht die staatsmännische Geste eines römischen Potentaten! Schon deswegen nicht, weil sie aus dem jüdischen Gesetz stammt. Ich habe nachgeforscht: Diese Geste war von Mose verordnet worden für den Fall, dass ein von unbekannter Hand Getöteter in der Stadt aufgefunden wird. Aber das ist es ja nicht! So wird man doch seine Schuld nicht los – so wenig wie physisch Blut an seinen Händen ist, so wenig wird er es durch diesen physischen Akt des Händewaschens los. Los kann er es – wie jeder Mensch – nur dadurch werden, dass jemand, der die Vollmacht, die Autorität dazu hat, das Wasser zu etwas macht, das wirklich reinigt. Nicht von Weihwasser rede ich, sondern von der Taufe, dem Wasser, das Gott durch sein Wort in Kraft setzt von Schuld reinzuwaschen. Dasselbe meint auch Johannes der Täufer, wenn er von dem spricht, der mit Geist tauft: Dem Wasser, mit dem er, Johannes, getauft hat, fehlte die Legitimation durch den Geist. Denn die Taufe, wenn man sie ernst nimmt, das ist Wasser und Geist! Und im Alten Testament sind sich Mose und die Propheten im Grunde auch alle einig: Durch das Blut von Böcken, Kühen und Schafen kann kein Mensch wirklich gereinigt werden. Johannes wusste: So taufen kann nur einer. Einer, der durch Geist und Wort und Tat – die Tat am Kreuz – für alles einstand. Erst durch ihn gibt es das unantastbar verbriefte und verbürgte Reinigungsbad, nach dem Pilatus ohne es genau zu wissen – quasi in einer ahnungslosen Allegorie – die Hände ausgestreckt hat. – Entschuldige, wenn ich jetzt hier anfange dich vollzupredigen.“ „Nein, nein, es ist hochinteressant. Ich bin ganz Ohr!“ „Und dieses Bad ist auch, wie jeder Christ weiß, die einzige gültige Antwort auf die Vertreibung aus dem Paradies, der einzige Rückweg in die Vollkommenheit des Reiches Gottes! Ich habe deswegen beschlossen mich noch einmal neu taufen lassen.“ „Wissen Sie, was das eigentlich Erschütternde an dem ganzen Fall ist?“, fragte Reynolds sein Gegenüber und gab die Antwort gleich selbst: „Das eigentlich Erschütternde ist, dass Ihnen durch Ihren eigenen Sohn der Ausweg aus der ganzen Misere eigentlich sperrangelweit offen stand und auch jetzt immer noch steht: der Weg von Buße und Vergebung. Nicht das Theater, das Sie mir hier vorspielen, diese Pseudo-Beichte, sondern eine echte Buße, eine Abkehr von dem Bösen, das sich auch in seinem, in Patricks Leben, breit gemacht hat. Wahrscheinlich konnte er einfach nicht mehr, wollte nicht mehr in diesem Morast von Schuld und Verbrechen herumwaten müssen, deren eitrige Blasen immer wieder aufplatzen und ihren Pestgeruch verbreiten. Wissen Sie was? Ich bin froh, dass ich nicht Polizist oder Richter bin. Es ist ja doch nur Symptombekämpfung, was die betreiben, und ich leide auch nicht darunter, dass es hier auf Erden nicht immer gerecht zugeht. Aber ich bin fest überzeugt, dass Glück so niemals zu finden ist und dass das der entscheidende Grund ist, warum Verbrechen sich nicht lohnt. Das Verbrechen birgt nämlich den Keim der Zerstörung und Zersetzung des Lebens in sich und Sie haben sich durch Ihren glaubenslosen Lebensentwurf selbst auf ewig von der Grundvoraussetzung für glückliches, gelingendes Leben abgeschottet: dem Segen Gottes, ohne den es, wie schon Augustin bilanzierte, keinen Seelenfrieden geben kann. Oder wollen Sie mir erzählen, dass Sie glücklich sind?“ „Jetzt hören Sie doch auf mit Ihren Begriffen aus der religiösen Mottenkiste! Segen! Seelenfrieden! Damit können Sie doch mich nicht ködern. Glück hat, wer kein Pech hat. Den Rest muss man sich erarbeiten. Alles andere ist Geschwätz, mit dem sich von mir aus die Minderbemittelten trösten lassen können.“ „Ihr Sohn ist ganz und gar nicht minderbemittelt. Er hat begriffen, was Ihnen fehlt: dass man dem Bösen ganz leicht entfliehen kann. Man muss sich nur auf die Seite eines Stärkeren stellen. Ich denke, genau das wollte Ihnen auch Pfarrer Williamson vorschlagen. Jesus stößt nie jemanden hinaus, der zu ihm kommt, auch nicht, wenn seine Hände von Blut triefen. ‚Wenn eure Sünde auch blutrot ist’, heißt es im Buch Jesaja, ‚soll sie doch schneeweiß werden.’ Denn nur so kann der Teufelskreis des Bösen durchbrochen werden, des Bösen, das immer wieder neues Böses zeugt – bis hin zum bitteren Ende.“ „Ich hab’ ja verstanden, was Sie meinen, Mr. Reynolds. Ich bin ja nicht begriffsstutzig, das Problem ist nur: Ich halte es für Käse, ausgemachten Blödsinn. Sie können Ihre auswendig gelernten Sätze noch so oft gebetsmühlenartig wiederholen – daran werden Sie nichts ändern können!“ „Wie bitte? Du willst dich noch mal taufen lassen?“ „Du hast ganz richtig gehört. Das Café wird von einer freien Gemeinde unterstützt, der ich mich anschließen möchte. Ich glaube, dass Wasser, Geist und Glaube zusammengehören. Die ersten beiden Dinge sind Gottes Angelegenheit, aber das dritte muss von mir kommen. Wenn ich das von Jesus in Kraft gesetzte Reinigungsbad nicht in einem Akt des Glaubens empfange, ist es meiner Meinung nach so wirkungslos wie bei Pilatus. Es wird zu einem Ritual ohne Sinn und Verstand und vor allem ohne Konsequenzen, frei nach dem Motto: Sie wissen nicht, was sie tun! In der Jerusalemsgemeinde, von der ich sprach, wird das genau so praktiziert. Da wird ein Schwerpunkt darauf gelegt, dass die Reinigung von Schuld sich in einem bewussten Glaubensakt vollzieht. Die Säuglingstaufe ist für die ungültig. Ich weiß, dass viele Christen das anders sehen. Aber für mich persönlich ist der Fall klar. Es geht darum, durch den Glauben, ein unerschütterliches Dafürhalten, ein Festhalten an dem, was man hofft, aber nicht sieht, noch nicht sieht, durch solchen Glauben die Hände und alles andere reinzubekommen, frei zu werden, eine neue Kreatur zu werden, die sich nicht mehr den alten, sündhaften und egoistischen Zwängen ausgeliefert sieht, sondern die die herrliche Freiheit der Kinder Gottes kennt und zu schätzen weiß. Und deswegen muss ich jetzt auch nicht Polizei und Moralapostel oder beides zusammen spielen. Ich kann weiterleben mit der Ungerechtigkeit dieser Welt, weil ich weiß, dass sie ja nicht anders sein kann, dass sie ja gefallen ist und dass sie ja ihr Urteil empfangen werden, sie, die sich nicht befreien lassen wollen von Adams Trugschluss, von der Knechtschaft des Bösen, von ihrer eigenen Ohnmacht gegenüber Schuld, Versagen und Verfehlung. Ich muss meinen Vater nicht ans Messer liefern, damit er seine gerechte Strafe bekommt, wie es so schön heißt. Wieso er und eine Million, ach was, eine Milliarde, sechs Milliarden anderer Verbrecher nicht? Was sagt denn Jesus, wo die Sünde anfängt? Es sind ja nicht die Hände als ausführende Organe, es passiert im Kopf, wer seines Nächsten Frau begehrlich anschaut, der hat schon gesündigt! Und irgendwann müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi. Was sind Polizei und Gefängnis dagegen? Ein Fliegenschiss! Und wie wenig Zeit bleibt ihm noch! Ich habe ihm gesagt, worauf es ankommt, jetzt kann ich nur noch beten, dass er sich öffnet für das Wirken des Geistes Gottes. Ja, ich bete täglich dafür. Genauso Ottiwell: Ich habe viel mit ihm gesprochen. Es hat mir das Herz gebrochen, als er mir unter Tränen erzählte, was er getan hat. Er konnte nicht mehr. Die haben ihm so zugesetzt, dass am Ende nur noch unnennbarer Hass in ihm war. Gefallene Welt, Kathi! Die Schlange windet sich vor Vergnügen und der Teufel tanzt Polka! Ich habe mit ihm gesprochen über Wahrheit und Gerechtigkeit und Vergebung. Ich glaube, er hat es verstanden. Und ich bete dafür, dass er erkennt, was er tun muss, wenn vielleicht irgendwann Gottes Stunde für ihn schlägt. Aber jetzt – seien wir ehrlich –, würde es irgendwem helfen, wenn man die Wahrheit herausposaunen würde: dass die beiden solche widerlichen, vom Teufel verdrehten Gestalten waren, dass ein Elfjähriger sich zu ihrem Henker machen ließ, damit er sich ihre Seelen vorzeitig sichern konnte? Solche Wahrheiten will doch niemand hören auf dieser Welt! Das hat sich seit damals, als Jesus selbst den Leuten noch die Leviten las, nicht geändert. Also bete ich lieber für meinen Freund Ottiwell und vor allem für meinen Dad. Denn der hat’s am nötigsten.“ „Wissen Sie was? Machen wir doch einfach die Probe aufs Exempel!“ Als hätte ein fremder Geist Besitz von ihm ergriffen, erhob Fredericks sich unvermittelt, stellte sich wie ein Hohepriester in der Mitte des Raumes auf, streckte die Arme in die Höhe und rief laut: „O allmächtiger Gott, du hast die Anschuldigungen deines Dieners dort vernommen und ich leugne es nicht, o Ewiger, es ist alles wahr: Ich bin durch und durch böse und verworfen und deswegen bitte ich dich jetzt mich Bösewicht zu strafen, wie ich es verdienet habe. Bitte schicke doch jetzt in deiner vermeintlich so großen Allmacht und Gerechtigkeit wie einen Blitz den Bannstrahl deiner Nemesis auf mich Frevler herab, dass er mich vernichte und mich unwürdiges Geschöpf auf ewig vom Erdboden tilge. Andernfalls, o großer Gott, wäre ich leider gezwungen deine Existenz nachhaltig in Zweifel zu ziehen und an die große Leere im Universum zu glauben!“ Schweigen herrschte im Raume. Dann nahm Fredericks, der eben noch mit großem Pathos gesprochen hatte, in aller Seelenruhe wieder Platz und sagte mit einem spöttischen Lächeln: „Nanu, nichts passiert? Was soll ich Ihrer Meinung nach aus der bemerkenswerten Passivität Ihres Herrn und Meisters schließen, Herr Vikar?“ Reynolds schwieg und zwang Fredericks damit, sich die Antwort selbst zu geben: „Ihr Gott ist eine tote Marionette, die keinen Finger krumm machen kann und nur deswegen nicht längst in der Mottenkiste der Geschichte verstaubt ist, weil Ihre Kirche sie für ihr religiöses Affentheater immer wieder hervorkramt.“ Reynolds konnte die sarkastische Replik, die ihm auf den Lippen lag, nicht unterdrücken: „Affentheater habe ich bislang nur von Ihnen gesehen – bei allem Respekt, Dr. Fredericks! Wenn Sie mit diesem Auftritt etwas bewiesen haben, dann nur, dass Sie nichts vom Wesen Gottes begriffen haben. Was Sie als Ohnmacht deuten, ist in Wirklichkeit Langmut.“ „In Wirklichkeit? Von welcher Wirklichkeit reden Sie denn? Das ist doch alles nur ein längst überholtes metaphysisches Konstrukt.“ „Vielleicht ist das überholte Konstrukt aber auch Ihre These vom überholten Konstrukt“, konterte der Vikar. „Treten Sie den Gegenbeweis an? Wer legt fest, was überholt ist? Also bleiben wir doch der Einfachheit halber zunächst in dem von mir bevorzugten Modell: In dem hat der Bannstrahl, den Sie eben gerade so wenig wirkungsvoll auf sich heraberbeten haben, längst einen anderen getroffen. Derjenige, der es eilig hat seine Ansprüche zu sichern, der sozusagen seine schwarzen Schäfchen möglichst schnell ins Trockene bringen will, steht im andern Lager. Und er lässt Sie meiner Ansicht nach ganz schön zuarbeiten.“ „Sie geben wohl nie auf, was?“ „Gott gibt nie auf.“ „Warum macht er’s denn so kompliziert? Wenn er so großartig und allmächtig ist, wie Sie immer behaupten, warum sorgt er nicht einfach mit einem Fingerschnippen dafür, dass Leute wie ich ihm den gebührenden Respekt zollen?“ „Weil man nicht zwingt, was man liebt.“ Fredericks war einen Moment überrascht, fasste sich aber gleich wieder. „Jetzt muss ich aber gleich laut lachen!“ „Sie verstehen mich im Grunde sehr gut. Ich muss Sie doch wohl nicht daran erinnern, dass noch vor dem ‚Allmächtigen’ in unserem apostolischen Glaubensbekenntnis der ‚Vater’ steht. Sie haben doch selbst ein Kind, das Sie lieben. Sie konnten das vielleicht im Laufe Ihres Lebens nicht immer so zeigen, aber Sie lieben ihn doch, nicht wahr, Dr. Fredericks?“ Eine Weile herrschte angespanntes Schweigen in dem Raum. Dann beugte der Doktor sich vor um sich ein Glas Wein einzuschenken. Als er sich wieder in seinen Sessel zurücklehnte, schüttelte er scheinbar erheitert den Kopf und sagte: „Sie sind gut, Mr. Reynolds, das muss der Neid Ihnen lassen, weiß Gott, Sie verstehen Ihr Handwerk. Aber Sie verschwenden Ihre Zeit.“ „Und Sie haben keine mehr zu verlieren.“ „Ich wusste doch, dass zwei halbwegs vernunftbegabte Menschen wie wir uns irgendwo einig werden könnten.“ Er erhob sich und reichte Reynolds die Hand. „Guten Tag, Mr. Reynolds.“ Der Doktor geleitete seinen Gast durch die imposante Empfangshalle zur Haustür. Als er sie öffnete, stand sein Sohn vor ihm. ---------------------------------- Du kannst das alles immer noch nicht glauben, oder?“ Kathi hätte es nicht besser ausdrücken können, aber sie zögerte. „Ich weiß nicht. Ich frag’ mich, wo der Skeptiker, der analytisch exakt vorgehende Patrick geblieben ist, der du sonst immer warst. Wie kannst du das alles auf einmal so vorbehaltlos schlucken, diese ganzen Sachen aus der Bibel, diese Geschichten von annodazumal? Ich meine, das kann man doch nicht wörtlich nehmen: die Schöpfung an sieben Tagen...“ „Sechs“, berichtigte Patrick. Kathi musste lächeln. „Also gut, an sechs. Tut doch nichts zur Sache. Und Jungfrauengeburt, Totenauferstehung, Arche Noah, sämtliche Tierarten in einem einzigen Schiff – all das... Das sind doch Mythen, Legenden... Und wer weiß denn schon, ob Pilatus wirklich seine Hand ins Wasserbad getaucht hat! Wie kannst du das alles auf einmal so kritiklos hinnehmen?“ „Ich habe keine Wahl.“ „Wie bitte?“ „Ich habe doch gar keine andere Wahl. Ich verstehe ja alle Leute, die an der Bibel rumkritteln und das nicht glauben können. Mir ging’s genauso. Aber du hast Recht, wenn du meinst, dass ich analytisch exakt vorgegangen bin. Und das Ergebnis war: Ich habe gar keine andere Wahl. Es ist billig und einfach: Ich kann nicht beweisen, dass Gott nicht existiert.“ „Und dass Gott existiert, auch nicht.“ „Nein. Und das brauch’ ich auch nicht. Vor allem braucht Gott das nicht.“ „Wie meinst du das?“ „Die Sache ist doch die, dass man hinsichtlich der Gottesfrage in einem ganz furchtbaren Dilemma steckt: Gott hat gar nicht nötig, unwiderlegbare Beweise für seine Existenz zu liefern. Existieren kann er trotzdem. Kann ihn etwa jemand zwingen sich zu beweisen? Die Bibel fegt das mit einem Satz vom Tisch: Wer bist du denn, Mensch, dass du mit Gott debattieren willst? Fakt ist: Man kann nicht einfach voraussetzen, dass Gott nicht existiert. Wenn er nämlich existiert, dann ist es doch denkbar einfach anzunehmen, dass er absichtlich alles genau so eingerichtet hat, wie wir es vorfinden – bis hin zu irgendwelchen angeblich wissenschaftlich widerlegten Ereignissen, die die Bibel schildert. Warum hat er es nicht anders gemacht? Wer bist du denn, lieber Mensch, dass du mit Gott debattieren willst? Fakt ist: Die Dinge auf dieser Welt liegen so, dass man an ihn glauben kann oder auch nicht. Immerhin gibt es sie ja: die Bibel mit ihren nicht gerade nebensächlichen Instruktionen und ihre Gläubigen. Die glauben: Gott hat diese ganze Geschichte mit Jesus so angelegt, wie die Bibel sie schildert. Er hätte zwar auch alles anders machen können, aber das tut nichts zur Sache.“ „Ja und? Das zwingt mich doch nicht an die Bibel zu glauben. Ich kann vielmehr sagen: Diese oder jene Ungereimtheit – und davon gibt es ja einige – ist ein Grund für mich anzunehmen, dass Menschen sich das alles ausgedacht haben.“ „Natürlich bist zu nicht gezwungen an die Bibel zu glauben. Aber du bist – nach den Gesetzen der Logik – gezwungen, es nicht ausschließen zu können, dass sie wahr ist. Ich sage damit nur, dass ich mich potentiell falsch entscheide, wenn ich entscheide, dass es Gott nicht gibt, und wenn mein Argument dafür ist, dass die Dinge so liegen, wie sie liegen! Denn sofern Gott existiert, sind sie ja mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gerade deswegen so, weil er es so wollte, weil er es so eingerichtet hat. Alle Argumente, die gegen Gott sprechen, gegen die Bibel, was weiß ich – was, wenn Gott die alle geschaffen hat? Wunderheilungen, ein Meer, das sich teilt, Totenauferstehung – natürlich sträubt sich da der menschliche Verstand. Aber wäre das für Gott, wie ihn die Bibel uns vorstellt, ein technisches Problem – immer vorausgesetzt, er existiert? Und wer ist eigentlich der Schöpfer des menschlichen Verstandes, wenn Gott existiert? So kann es tausendmal hin- und hergehen – am Ende werde ich immer die Wahl haben ja oder nein zu sagen. Und wenn ich nein sage, laufe ich Gefahr eines Tages vor dem Richterstuhl Christi zu stehen, von dem ich in der Bibel gelesen habe, und ihm frustriert mitteilen zu müssen: Aus dem und dem und dem Grund habe ich entschieden, dass du nicht existierst – sorry. Und er sagt: Auch sorry. Wie du siehst, lagst du falsch. Dabei habe ich gar nicht viel von dir verlangt: Ich wollte nicht, dass du meine Exisenz beweist, ich wollte nur, dass du glaubst. Dafür gab ich dir mein einfaches, in für Wesen wie dich geeignete Form gebrachtes Wort, das du einfach ignoriert hast. Hinweg mit dir dahin, wo Heulen und Zähneklappern ist. Und ich kann noch nicht mal sagen, dass ich ja von Heulen und Zähneklappern nichts gewusst hätte. Mit anderen Worten: Solange ich keinen unwiderlegbaren Beweis für die Nichtexistenz Gottes habe – und den kann es nicht geben, weil ja Gott selbst ihn geschaffen haben könnte – wäre ich doch schön blöd Heulen und Zähneklappern zu riskieren, indem ich gegen das verstoße, was ich über seinen Willen weiß. Und ich finde die Menschen bodenlos leichtsinnig, die so dahinleben ohne sich diese Frage zu stellen. Denn es liegt doch auf der Hand, dass, wenn es Gott gibt, es im ganzen Universum nichts Wichtigeres gibt als dieses Faktum und dass es schon zu viel wäre, wenn ich ihm nur das Geringste vorenthielte, wie es mal eine berühmte Atheistin formuliert hat. Wenn Gott aber nicht existiert – nüchtern-analytisches Vorgehen –, was verliere ich schon, wenn ich seinen Geboten gemäß zu leben versuche? Selbst Atheisten räumen ja ein, dass die einen gewissen sittlichen Nährwert für die Menschheit haben. Im schlimmsten Fall ist nach dem Tod alles vorbei, aber ich habe wenigstens das Gefühl etwas Vernünftiges mit der Zeit vorher angefangen zu haben. Beispiel Albert Schweitzer. Der hat ja weiß Gott nicht alles in der Bibel kritik- und kommentarlos hingenommen, aber am Ende hat er so gelebt, als ob Jesus morgen wiederkommen würde und ihn dann bei der Arbeit findend allen Grund hätte zu sagen: Gut so, du guter und getreuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen. Ich will dich über viel setzen. Das, was ich hier mache, ist mein Versuch über wenigem treu zu sein und ich sag dir ganz ehrlich: Es befriedigt mich tausendmal mehr als alles, was ich bisher in meinem Leben getan habe. Nein, ich habe weiß Gott keine Wahl mehr, Kathi.“ Kathi saß im Flugzeug zurück nach Hamburg und blickte durchs Fenster hinaus auf das Wolkenmeer, über dem sie schwebte. Sie wunderte sich darüber, wie gelöst sie war, wie fröhlicher Stimmung; wie schnell sie von dieser heftig brennenden Leidenschaft losgeschmiedet worden war, die ihr noch vor einer Woche eingeredet hatte, sie müsse sterben, wenn sie Patrick nie wiedersehen dürfe. Wie das geschehen war, wusste sie nicht. Waren es seine nüchternen und klaren Worte gewesen? Die vielen anderen Dinge, die sich ereignet und die ihr gezeigt hatten, dass ihr Leid, von einer höheren Warte aus betrachtet, eine Nebensächlichkeit war? Jedenfalls war dieses verzehrende Feuer einer ganz anderen Form von Liebe gewichen, die den Verzicht wie selbstverständlich mit einschloss. Natürlich liebte sie ihren „Paddi“ noch; er war ein wunderbarer, ein ganz besonderer Mensch, er hatte es gerade erst wieder unter Beweis gestellt. Und sie wünschte sich zutiefst, dass er in ihr Leben zurückfinden würde. Aber sie fühlte in sich jetzt die innere Freiheit sich nicht mehr an ihn zu klammern, ihn an dem Ort zu belassen, an den er sich jetzt berufen wusste. Sie fühlte sich bereichert und befreit. Vielleicht war es ja das, sagte sie sich, während die untergehende Sonne das Wolkenmeer in gleißendes Rot hüllte, vielleicht war das, was Paddi gemeint hatte, als er sprach von der „herrlichen Freiheit der Kinder Gottes“. Zur gleichen Zeit saß Patrick einem Mann mit langem, braunem Zottelhaar und völlig verfilztem Bart gegenüber, den er vorher noch nie im Café gesehen hatte. Das war auch der Grund dafür, dass er das Gespräch mit ihm suchte. „Wissen Sie, dass Jesus für Sie gestorben ist?“ Der Fremde sah ihn mit völlig ausdruckslosen Augen an. „Jesus ist für Sie gestorben. Wissen Sie das?“, wiederholte Patrick. „Weil er Sie liebt.“ Da huschte ein Lächeln über das ungepflegte Gesicht des Mannes. Seine Augen nahmen einen eigenartigen feuchten Glanz an und einen Augenblick war Patrick, als säße ihm in der Gestalt dieses seines geringsten Bruders der Gekreuzigte selbst gegenüber. --- M I S T W A T E R Exposé für einen TV-Spielfilm (c) 2005 by Didier Personen Katharina Huttener, 20, genannt Kathi, Studentin Pfarrvikar Jim Reynolds, 35 Theresa Eliot, Mitte 50, Sekretärin im Kirchenbüro Dr. William Fredericks, Anfang 50, angesehener Landarzt Patrick Fredericks, 24, sein Sohn, genannt »Blacky«, Student, Freund von Kathi Charles Matthews, 19, arbeitslos, Patricks Cousin Robert Finlay, 23, Patricks früherer Freund Theo Ecclestone, 20, Patricks Freund Erna Bayer, 80, verlor in der Nazi-Diktatur ihre Schwester Emmi Hilda Moewig, 90, Witwe von Dr. Eberhard Moewig Phil Cutler, 16, Opfer eines Baumhausbrandes Ernie Clark, 16, Opfer eines Baumhausbrandes Zeittafel 1901: Geburt von Alexander Albert Theodor Friedrichs 1919: Geburt von Margaret Wyler, später verehel. Fredericks 1925: Geburt von Erna Bayer 1937: Tod der kleinen Emmi Bayer 1947: Alexander Friedrichs wandert als Verlobter von Margaret Wyler nach Mistwater aus, wo er den Namen Fredericks annimmt und Margaret heiratet 1948: Geburt des einzigen Sohnes William Stephen Fredericks 1971: Ermordung von Dr. Eberhard Moewig 1980: William S. Fredericks heiratet Betty McIntyre 1982: Sohn Patrick Stephen Fredericks wird geboren 1985: Tod von Margaret Fredericks 1987: Tod von Alexander Fredericks 2000: Scheidung der Ehe von William und Betty Fredericks 2000: Tod Betty Fredericks’ 2003: Studienbeginn für Patrick Fredericks an der Universität Hamburg Kurzinhalt: Mistwater erzählt eigentlich zwei Geschichten: die der deutschen Studentin Kathi, die ihren in seiner englischen Heimatstadt Mistwater verschwundenen Freund sucht und dabei die düstere Nazi-Vergangenheit seines Vaters aufdeckt, sowie die des elfjährigen Ottiwell, der zwei Jugendliche in ein Baumhaus gelockt und darin verbrennen lassen hat, weil sie ihn fortwährend drangsaliert und schikaniert haben. Beide Geschichten sind verwoben durch Kathis Freund Patrick, der, nachdem er erfahren hat, was Kathi erst mühsam herausfindet, in eine Art „inneres Exil“ geflohen ist und sich nach einer Hinwendung zu Gott für ein soziales Hilfsprojekt engagiert. In zwei Prologen werden die Tode von Eberhard Moewig, der 1971 in einem Wald erdrosselt wird, sowie der beiden Jugendlichen Phil und Ernie geschildert, die in einem Baumhaus verbrennen. (Danach Titelei.) Es erwischt Katharina Huttener, genannt Kathi, eiskalt, als sie eines Morgens im März nach einer wilden Studentenparty mit schwerem Kopf ihren Anrufbeantworter abhört und ihr Freund Patrick ihr in dünnen Worten eröffnet, dass er sie nicht wiedersehen könne. Ohne lange zu überlegen packt Kathi ihre Koffer um Patrick, der zusammen mit ihr an der Hamburger Universität studiert, jedoch britischer Staatsbürger ist, nachzureisen. Anlässlich der Beerdigung des mit ihm eng befreundeten Pastors Williamson war Patrick vor einigen Tagen in seinen Heimatort, die 4000-Seelen-Gemeinde Mistwater in Lancastershire, zurückgefahren. In Mistwater angekommen fällt Kathi sofort die bedrückende Atmosphäre auf, die in dem Ort herrscht. Die Menschen begegnen ihr mit Misstrauen und Ablehnung. Ein Grund dafür: Mistwater steht unter Schock: Zwei Jugendliche sind ums Leben gekommen, nachdem in dem Baumhaus, in dem sie sich aufhielten, ein Feuer ausgebrochen war. Das erfährt sie von ihrer landlady Mrs. Frost, bei der sie zu Bed-und-Breakfast-Kondidtionen logiert. Kathis Weg führt sie zu Patricks Vater Dr. William Fredericks, einem Witwer, dessen Vater nach dem Krieg die Schwester eines in Deutschland stationierten englischen Soldaten geheiratet hatte und mit ihr nach Mistwater gegangen war. Doch der angesehene Arzt legt keinerlei Wert darauf, die Bekanntschaft der Freundin seines Sohnes zu machen und verweigert auch sonst jede Auskunft. Er wisse nicht, wo Patrick hingegangen sei. Enttäuscht sucht Kathi Robert Finlay, einen Freund aus Patricks Kindertagen auf, von dem er ihr in Deutschland erzählt hat. Von Robert erfährt Kathi, dass Patrick seit seinem letzten Besuch in Mistwater zu Weihnachten völlig „durch den Wind“ sei. Auch mit seinem Vater habe er sich offenbar überworfen. Nur zu dem verstorbenen Pastor Williamson habe er am Schluss noch Vertrauen gehabt. Sein plötzlicher Tod durch Herzversagen habe ihm in irgendeiner Art und Weise »den Rest gegeben«. Er habe das Leben empfunden »wie tausend Jahre Regenwetter«, das sei seine eigene Formulierung gewesen. Da Roberts Draht zu Patrick schon seit einiger Zeit nur noch oberflächlich sei, könne er ihr nur Informationen vom Hörensagen weitergeben. Patrick habe sich zuletzt mehr mit Freunden abgegeben, die sich leider zum Schlechten entwickelt hätten, darunter auch Patricks Cousin Charles Matthews, der sich mit den Anhängern einer faschistoiden Gruppierung herumtreibt und deren Anführer ist. Szenetreff ist die Musikbar »Fire Mouth«, zugleich die einzige richtige Kneipe in Mistwater. Zum Dunstkreis der Leute, die sich dort treffen, haben, so erfährt Kathi weiter, auch die beiden Opfer des Brandes im Baumhaus gehört, der jetzt alle so tief erschüttert. Vor ein paar Tagen ist Patrick noch im »Fire Mouth« gesichtet worden. Er hat dort einen furchtbaren Streit mit Charles gehabt. Die beiden sind sich fast gegenseitig an die Gurgel gegangen. Patrick sei danach, so Robert weiter, in einer fürchterlichen Verfassung gewesen. Er habe sein ganzes Leben verflucht und alles hinschmeißen wollen. Danach hat ihn niemand mehr gesehen. Kathi nimmt diesen Bericht mit großer Besorgnis zur Kenntnis und erinnert sich daran, dass Patrick in den letzten Wochen in Hamburg ungewöhnlich oft die Sinnfrage und Fragen nach Schuld und Gerechtigkeit gestellt hat. Schließlich erzählt Robert ihr noch von Williamsons kommissarischem Nachfolger Reynolds, der »ganz o.k.« sei. Vielleicht solle sie einfach mal mit ihm reden. Kathis Gespräch mit dem Vikar endet ganz schnell, denn Reynolds kennt keinen Patrick. Reynolds ist zuvor, während er sich immer noch provisorisch im Haus des Vorgängers einzurichten bemüht ist, allerdings auf eine merkwürdige Notiz gestoßen, die offenbar in die Ritze eines Bürosessels gefallen war. Der alte Pfarrer hat sich offenbar nach einem vertraulichen Beichtgespräch auf einem Gebetszettel, wie er sie regelmäßig benutzte, Notizen gemacht. Ihr Inhalt: »Beichtgespräch B.: Entscheidung über Kinder«, dann ein Pfeil und dann: »Euth.- 5. Herr, hilf! Gespräch mit F. am 15. 3.« Mehr lässt sich nicht entziffern. Bestürzt stellt der junge Vikar fest, dass der 14.3. Williamsons Todestag war. Frau Eliot, die Sekretärin erinnert sich, dass ihr alter Chef in ziemlicher Aufregung war wegen dieses Gesprächs. Sie wisse aber nicht, um wen es sich gehandelt haben könnte. Entsetzt sucht Kathi noch einmal Patricks Vater auf. Sie teilt ihm mit, sie vermute, Patrick wolle sich das Leben nehmen oder habe das schon getan und liege vielleicht irgendwo herum. Dr. Fredericks lässt das unbeeindruckt. Kathi gerät außer sich vor Angst und Sorge. Wütend verlässt sie das Haus. Bei einem Spaziergang stößt sie zufällig auf den Ort mit dem abgebrannten Baumhaus. Zufällig entdeckt sie dabei so eine Art Anstecknadel, deren Prägung noch erkennbar ist: Batman. Auf der Straße begegnet ihr später ein fremder Junge: Charles, ein jovialer Aufreißertyp, wie es Kathi erscheint, will sie schon mal irgendwo gesehen haben – auf einem Foto, das sein Cousin Blacky ihm mal gezeigt habe. Sie sei Blackys Freundin. Blacky? Kathi kann dem Jungen nur einen Vogel zeigen. Einen Blacky kenne sie nicht. Doch rasch stellt sich heraus, dass Blacky der Spitzname von Patrick ist. Alle Freunde, mit denen er sich zuletzt abgegeben habe, meint Charles, im Dorf und in der Bar »Fire Mouth«, hätten ihn eigentlich nur unter diesem Namen gekannt. Kathi ändert ihre Haltung und bittet Charles ihr alles zu berichten, was sie von Blacky alias Patrick wisse. Außerdem solle es einen Streit zwischen den beiden Cousins gegeben haben. Das leugnet Charles. Er und Blacky seien von Kindesbeinen auf die besten Freunde gewesen. Auch glaubt er nicht, dass Blacky etwas zugestoßen sein könnte. Blacky sei zwar manchmal übersensibel und etwas sentimental, aber trotzdem unverwüstlich. Ansonsten kann Charles wenig Neues berichten. Blacky sei seit letzten Weihnachten auf einem »frommen Trip« gewesen, habe sich oft mit dem alten Pfarrer ausgetauscht. Dessen Tod habe ihn dann vollends aus der Bahn geworfen. An eine gewisse religiöse Neuorientierung ihres Freundes in den vergangenen Monaten kann sich auch Kathi erinnern. Nach der Beerdigung habe Charles seinen Cousin nicht mehr gesehen. Bestimmt sei er ins Kloster oder so gegangen, scherzt der Junge. Von einem Streit Blackys mit seinem Vater, wie Robert ihn Kathi gegenüber erwähnt hatte, weiß Charles indes nichts. Schließlich lädt Charles Kathi für den Abend ins »Fire Mouth« ein. Kathi nimmt an, macht aber unmissverständlich klar, dass sie vergeben ist. Williamsons Gebetszettel lässt dem jungen Vikar Reynolds keine Ruhe. Zusammen mit Frau Eliot erörtert er zunächst die Frage, ob er bei fragmentarisch festgehaltenen Beichtnotizen seines verstorbenen Vorgängers an das Beichtgeheimnis gebunden sei. Frau Eliot ist das zu hypothetisch. Er zeigt ihr also den Papierfetzen. Frau Eliot erinnert sich, dass Pastor Williamson ein paar Wochen vor seinem Tode einmal von einem Gespräch mit einem Jungen berichtet hat, der tief in Schwierigkeiten und Depressionen gesteckt habe. Alles weitere sei jedoch unter die Schweigepflicht gefallen. Den Namen habe er ihr nicht sagen dürfen. Mit B fällt ihr kein passender Name ein. Zum Buchstaben F. fallen ihr dagegen gleich mehrere Namen ein, z. B. Dr. Fredericks. Der Fredericks sei ihr, so Frau Eliot, nie ganz geheuer gewesen , weil dem nichts heilig sei. Vor allem die Art und Weise, wie er damals seine Frau abserviert habe, vor mehr als zehn Jahren, habe ihr missfallen und für viel Klatsch und Tratsch in Mistwater gesorgt, zumal seine Frau, wie später der Zeitung zu entnehmen war, wenige Wochen nach der Trennung starb. Man munkelte damals, sie habe Selbstmord begangen. Sie würde lieber zu einem weiter entfernt wohnenden Arzt gehen, wenn sie einmal krank wäre. Kathi sitzt mit Charles an der Theke des »Fire Mouth« und bekundet, dass ihr die Kneipe angesichts der vielen dämonischen Bilder ein wenig unheimlich vorkommt. An einer Wand hängt ein großes Bild mit einer schwarzen Teufelsfratze auf rotem Grund. Als Charles auf dem WC verschwindet, spricht ein fremder Junge sie an, der sich als Theo, ein Freund von Blacky, vorstellt. Robert habe ihm von ihren Nachforschungen berichtet und in Mistwater sprächen sich Neuigkeiten rasch herum. Da man sich in Mistwater ja nicht aussuchen könne, wo man abends hingehe um Spaß zu haben, habe er sich gedacht, er würde Kathi wohl hier antreffen. Theo weiß zu berichten, Blacky habe in Mistwater einen neuen Freund gefunden, den elfjährigen Ottiwell. Charles, offenbar eifersüchtig, nähert sich zornig und provoziert eine Rangelei. Als Kathi Theo verteidigen will, fällt die Maske: Charles grapscht die Studentin an und gibt auf einmal unflätige Äußerungen von sich. Zwei Freunde treten an seine Seite und reden wirres Zeug. Sie beschimpfen Blacky als Verräter, der seinem Namen keine Ehre mehr mache. Kathi bringt Charles und seine Freunde durch eine Ohrfeige zum Schweigen. Unter wüsten Beschimpfungen und Drohungen verlässt sie zusammen mit Theo das Lokal. Kathi geht in ihre Pension und ruft von ihrem Mobiltelefon aus ihren Anrufbeantworter in Hamburg an. Doch es gibt nicht die erhoffte Nachricht von Patrick, sondern nur die von einer Frau Moewig, die einen Termin mit Patrick haben möchte. Am nächsten Morgen besucht Kathi erneut den Vikar Reynolds. Kathi fragt Reynolds jetzt, ob er, wenn er denn schon keinen Patrick kenne, vielleicht wenigstens über einen gewissen Blacky etwas zu sagen wisse und – siehe da! – diesmal fällt ihre Anfrage auf fruchtbaren Boden. Nicht, weil der Name Blacky Reynolds mehr sagen würde, aber Frau Eliot sagt er etwas. Sie erinnert sich nämlich sofort an den jugendlichen Freund des alten Pastors. Und dieser Name, wird Reynolds klar, muss es auch sein, der sich hinter der Abkürzung auf dem Schmierzettel verbirgt! Das kann der Vikar Kathi zwar nicht sagen, weil es unter die Schweigepflicht fällt, aber Kathi merkt, dass Reynolds etwas weiß. Sie setzt auf die Devise »Vertrauen gegen Vertrauen«. Sie wolle wissen, was aus ihrem Freund geworden sei, und Reynolds habe offenbar auch das Gefühl, dass in Mistwater einiges nicht mit rechten Dingen zugehe. Wenn man an einem Strang ziehe, könne man vielleicht gemeinsam davon profitieren: Kathi findet ihren Freund wieder und Reynolds kann das zu Ende bringen, was seinem Vorgänger wegen seines plötzlichen Todes verwehrt blieb. Kathi bittet den Pfarrer gleich noch einmal um Hilfe. In der Gemeindekartei fänden sich doch alle Namen und Adressen von Kirchenmitgliedern. Sie würde gern wissen, ob es eine Familie mit einem Sohn namens Ottiwell gebe. Der Name ist nicht besonders häufig und mit Frau Eliots Hilfe ist die Familie im Nu gefunden. Bei ihrem Besuch gelingt es Kathi anfangs nicht Ottiwells Vertrauen zu gewinnen. Das ändert sich schlagartig, als sich Kathi als Patricks Freundin vorstellt. Der Junge schwärmt förmlich von Patrick. Kennen gelernt haben sich beide dadurch, weiß der Junge zu berichten, dass Patrick ihm einmal geholfen hat, als zwei Jugendliche Geld von ihm erpressen wollten. Sie hätten gedroht ihn zu verprügeln, aber Patrick, der die beiden zu kennen schien, hat sie verjagt, so der Junge. Die beiden Jungen hätten ihn schikaniert, seit er mit seiner Mutter nach Mistwater gezogen sei. Sie habe sich von seinem Vater scheiden lassen. Auf die Frage, warum so etwas geschehe, warum es so viel Unrecht gebe, weiß Kathi keine Antwort, aber der Junge überrascht sie mit seinem wachen Verstand und seinen kritischen Fragen. Er spricht von einer besseren Gerechtigkeit als der, die es auf der Welt gebe. Darüber habe er auch mit Patrick viel diskutiert. Ottiwell weiß außerdem ein Geheimnis, aber er hat Patrick vesprochen mit niemandem darüber zu sprechen. Kathi bringt es nicht fertig den Jungen zum Reden zu bringen. Sie erfährt nur, dass Patrick in Deutschland eine alte Frau namens Bayer gefunden hat, die der Schlüssel zu diesem Geheimnis ist. Kathi erinnert sich an einen Tag, da Patrick einen wichtigen Besuch zu machen behauptet hatte und einfach verschwunden war. Er hatte ihr nur erzählt, dass er in den Norden Hamburgs reisen wolle. Ottiwell weiß auch nicht genau, wohin Patrick gegangen sein könnte, aber er habe davon gesprochen sich irgendwie nützlich zu machen und ein neues Leben zu führen. Es habe mit Jesus zu tun gehabt, so Ottiwell. Ein Satz ist dem Jungen besonders im Gedächtnis haften geblieben: „Und wenn deine Hände auch rot von Blut sind, sollen sie doch schneeweiß werden.“ Das habe Patrick zu ihm gesagt. Warum er denn so einen Satz gesagt habe, will Kathi wissen, aber da hüllt sich der Junge in Schweigen. Dafür erinnert er sich an den Namen Jerusalem. Ja, Patrick hat immer davon gesprochen an einem Ort namens Jerusalem Dienst zu tun. Als Kathi nach Hause gehen will, trifft sie Angela, eine Klassenkameradin von Ottiwell, die gerade auf dem Weg zu ihm ist. Kathi stellt sich kurz vor und entlockt dem Mädchen rasch, dass es „ein bisschen“ in Patrick verliebt ist. Kathi erinnert sich auch daran, das Mädchen schon einmal gesehen zu haben, und zwar als sie zufällig auf die Brandstelle stieß. Dann telefoniert Kathi mit der unbekannten Frau Moewig, die auf der Mailbox eine Nachricht hinterlassen hat. Frau Moewig behauptet, Patrick habe mit ihr Kontakt aufgenommen, weil er angeblich etwas über den Tod ihres vor vielen Jahren erhängt in einem Waldstück in Schleswig-Holstein aufgefundenen Vaters gewusst habe. Kathi lässt sich von der Frau einen Zeitungsausschnitt faxen. Eine Frau Bayer kennt Frau Moewig nicht. Reynolds und Kathi fragen sich, was die beiden Frauen miteinander zu tun haben. Kathi fällt ein, dass Patrick alte Fahrscheine in der Regel auf dem Schreibtisch liegen lässt und nicht wegwirft. Telefonisch bittet sie ihre Vermieterin, auf dem Schreibtisch nachzusehen ob sie ein Nahverkehrszug-Ticket vom Anfang des Monats finden könne. Während sie auf den Rückruf ihrer Hamburger Vermieterin wartet, geht Kathi spazieren. Charles kommt auf seinem Motorrad angebraust und belästigt sie frech. Wütend faucht sie ihn an, er und seinesgleichen sollten mal lieber aufhören ständig mit dem Feuer zu spielen. Wie alle wüssten, könne man sie dabei ganz schnell die Finger verbrennen und auch mehr... Charles verschlägt es völlig die Sprache ob dieser Anspielung auf den Brandunfall der beiden Cliquenmitglieder Phil und Ernie. Was sie denn damit sagen wolle. Kathi hüllt sich in Schweigen, aber als Charles sich entfernt hat, holt sie noch einmal die halb verkohlte „Batman“-Anstecknadel hervor und spricht leise vor sich hin: „eine bessere Gerechtigkeit!“ Kurz darauf ist die Vermieterin tatsächlich fündig geworden. Die Reise, die Patrick Anfang des Monats gemacht hat, führte ins schleswig-holsteinische Kaltenkirchen. Weitere Recherchen ergeben, dass dort eine fast neunzig Jahre alte Rentnerin namens Erna Bayer lebt. Kathi ruft sie sofort an. Die alte Dame kann bestätigen, dass Patrick sie Anfang März besucht hat. Er habe ihr berichtet, im Rahmen seines Geschichtsstudiums habe er Nachforschungen über Opfer aus der Nazi-Zeit anstellen müssen. Frau Bayer erzählt, den Tränen nah, vom Schicksal ihrer Schwester Emmi, die 1936 mit vier Jahren wegen einer geringfügigen geistigen Behinderung von der Familienfürsorge in die Alsterdorfer Anstalten eingewiesen wurde. Kurz vor Kriegsende dann die Nachricht, dass Emmi nach einer lebensgefährlichen Erkrankung in der Kinderklinik Hamburg-Rothenburgsort gestorben sei. Unter Tränen fügt Frau Bayer hinzu: »Ermordet von den Nazis – per Giftspritze.« Kathi kann sich nun auch die rätselhafte »5.« auf dem Papierfetzen des Pastors erklären: Möglicherweise steht sie für das fünfte Gebot, das hier massiv verletzt wurde. Die Abkürzung „Euth.“ auf dem Schnipsel könnte demnach für Euthanasie stehen. Doch es bleibt die Frage: Was mag Patrick bewogen haben in der Vergangenheit herumzuwühlen? Frau Bayer liest weitere Details aus dem ihr damals ausgehändigten Dokument vor: Die Überweisung von Alsterdorf nach Rothenburgsort und damit Emmis Todesurteil hat ein gewisser Dr. Alexander Fredericks unterzeichnet, Patricks inzwischen verstorbener Großvater. Komischerweise habe Patrick, der davon nicht überrascht schien, jedoch immer nach einem anderen Arzt gefragt, einem Doktor Moewig. Und den kennt auch Frau Bayer nicht. Abends im Pub erfährt Kathi, dass die beiden Toten aus dem Baumhausbrand sich ein bisschen Geld dazuverdient hätten, indem sie Schüler erpressten. Jetzt drängt es Kathi noch einmal mit dem kleinen Ottiwell zu sprechen. Ihr Verdacht: Patrick hat um den Jungen zu schützen vielleicht das Baumhaus in Brand gesteckt und wollte dabei die beiden Getöteten vielleicht nur erschrecken. Etwas könnte dann schief gelaufen und Patrick zur Flucht veranlasst haben. Kathi fragt, was Patrick Ottiwells Ansicht nach bewogen habe sich plötzlich „nützlich machen“ zu wollen. Sei es nicht vielmehr eine Flucht gewesen? Ottiwell erwidert: Patrick habe gesagt: Wenn es Gott gebe, dann dürfe man nicht so tun, als sei er ein unbeteiligter Zuschauer unseres Lebens. Ottiwell findet dagegen, dass Gott aber oft so handle, als sei er genau dies. Gott habe nichts getan, als die beiden A---löcher, die ihn immer belästigt haben, seinen besten Freund, den Teddy Balthasar, auseinandergepflückt haben, weil er sie nicht bezahlen wollte. Solche Leute glaubten gar nicht an Gott, sondern machten sich lieber ihre eigene Gerechtigkeit, aber diese Gerechtigkeit tauge nichts! Und deswegen müsse eben jeder Mensch seine Gegen-Gerechtigkeit haben. Anscheinend habe aber Gott die beiden Übeltäter jetzt doch bestraft, provoziert Kathi den Jungen. Denn, was er ihr bisher verschwiegen habe, die beiden „bösen Jungen“ seien ja in dem Baumhaus umgekommen. Vielleicht habe es in diesem Fall aber auch eine Art „Batman“ gegeben, der für Recht und Ordnung gesorgt habe. Damit trifft sie ins Schwarze. Als Ottiwell sich nämlich als großer Fan des Superhelden „outet“, holt Kathi die Anstecknadel hervor, die sie am Ort des Brandes gefunden hat. Kathi kann sich leicht zusammenreimen, dass das Baumhaus, das abgebrannt ist, sein und Angelas Baumhaus gewesen sein muss. Ottiwell gibt es zu. Er gibt auch zu, dass er mit Patrick über Phil und Ernie gesprochen hat, die ihn immer bedroht und schikaniert hätten. Das nährt Kathis Verdacht, auch wenn Patrick noch einmal betont, die Sache mit dem Baumhaus sei ein Unfall gewesen. Von Angela erfährt sie später, dass Patrick in eine ganz schwere Krise geraten sei, nachdem er wegen einer Prügelei mit Phil und Ernie Streit mit seiner Mutter gehabt hatte. Als Kathi morgens zum Pastorat kommt, sieht sie, dass jemand hässliche Drohparolen an die Fassaden geschmiert hat. Reynolds hat keine Ahnung, wer dahinter stecken könnte. Er und Kathi recherchieren im Internet und erfahren auf den Seiten der Simon-Wiesenthal-Stiftung einiges Neues: Dr. Moewig wurde 1971 in einem Waldgebiet im Segeberger Forst ermordet aufgefunden. Da Moewig als Assistenzarzt im Dritten Reich an Euthanasie-Programmen beteiligt war und mit der Ermordung von Kindern in Hamburg-Rothenburgsort in Verbindung gebracht wurde (das ergaben Ermittlungen nach seinem Tod), lag die Vermutung nahe, Moewig habe sich aus Reue das Leben genommen – Informationen, die Frau Moewig aus verständlichen Gründen für sich behalten hat. Die polizeilichen Ermittlungen wurden rasch eingestellt. Endlich gibt es eine Verbindung Moewig - Fredericks. Kathi hingegen hat nur ein Ziel: Patrick zu finden. Wie es aussehe, müsse sie dafür allerdings nach Jerusalem reisen. Mit Hilfe der Informationen, die Kathi außerdem über Patricks Pläne hat, kann Reynolds das Rätsel jedoch bald lösen. Möglicherweise habe Patrick nicht die Stadt Jerusalem, sondern das „Café Jerusalem“ gemeint, das in Lancaster als diakonische Anlaufstelle für Obdachlose betrieben werde. Kathi möche sofort nach Lancaster reisen. Reynolds hält ein Gespräch mit Dr. Fredericks für unausweichlich. Fredericks begrüßt den Pastor höflich, doch kalt. Sie gehen in den Salon, dessen linke Seite komplett mit Büchern in endlosen Regalen voll gestellt ist. Reynolds wirft eher zufällig einen Blick darauf. Er findet Bücher, die üblicherweise in rechtsextremen Kreisen kursieren. Beide nehmen Platz. Im Gespräch über Gott und die Welt prallen Welten aufeinander, denn Fredericks glaubt nicht an Gott. Reynolds spürt eine gewisse Feindseligkeit, die sich noch verstärkt, als er Fragen zum Verbleib von Patrick stellt, Fredericks einzigem Sohn. Als Reynolds dann auch noch den Namen Bayer fallen lässt, verliert sein Gegenüber die Geduld: Fredericks hat plötzlich keine Zeit mehr. Mit einer Einladung zum bevorstehenden Oster-Gottesdienst verlässt Reynolds das vornehme Anwesen. Als Reynolds einige Zeit später zu Hause vom Fahrrad steigen will, stürzen sich Schatten aus dem Dunkel auf ihn und schlagen auf ihn ein. Bei dem Lärm wird es hell im Anbau, dem Domizil von Frau Eliot. Mit einem Regenschirm bewaffnet kommt Frau Eliot herbeigerannt und schlägt wild auf die maskierten Angreifer ein, die überrascht die Flucht ergreifen. Der Regenschirm ist blutverschmiert. Auf Frau Eliot gestützt, gelangt Reynolds in sein Wohnzimmer. Sie verarztet ihn. Dabei kommt es zu folgendem Dialog: »Frau Eliot, Sie sind eine sehr mutige Frau. Aber kennen sie nicht das Wort unseres Herrn: ‚Wer dich auf die linke Wange schlägt, dem halte auch die rechte hin‘?« – »Na, meine Wange war‘s ja nicht, Herr Pfarrvikar!« Ostergottesdienst in der Kirchengemeinde: Reynolds predigt über Schuld und Sühne und den Sieg Christi über die Mächte der Finsternis. Dabei macht er einige Anspielungen, die bei Fredericks seinem Mienenspiel zufolge einigen Verdruss auslösen. Als der Gottesdienst zu Ende ist, faucht Fredericks ihn am Ausgang an: »Lehnen Sie sich nur nicht zu weit aus dem Fenster, Reynolds, sonst sorg' ich dafür, dass Sie stürzen!« – »Ich bin schon gestürzt, Herr Dr. Fredericks, sieht man das nicht? Aber ich bin wieder hochgekommen! Sehen Sie, besser könnte man ja die Botschaft von Ostern gar nicht auf den Punkt bringen.« Überraschend schlägt Fredericks dann ein Gespräch mit dem Vikar vor. Sie verabreden sich für 14 Uhr. Auch Kathi ist zum Gottesdienst gekommen. Sie berichtet, dass sie sich bisher nicht hat durchringen können nach Lancaster zu fahren. Sie hat Angst vor dem Zusammentreffen mit Patrick und den Konsequenzen. Der Vikar ermutigt sie jetzt nicht so kurz vor dem Ziel aufzugeben. Nachmittags betritt Kathi mit gemischten Gefühlen das Café Jerusalem. Überraschend steht sie plötzlich Patrick gegenüber, der gerade einem Obdachlosen Tee serviert. Spontan umarmt sie ihn. Doch Patrick reagiert zurückhaltend. Kathi vermutet, das hänge mit der Baumhaus-Geschichte zusammen, an der sich Patrick womöglich schuldig fühlt und erklärt, dass sie zu ihm stehen werde, egal, was er angestellt haben mag. Schließlich sei doch Vertrauen die Grundvoraussetzung für jede Art von Beziehung. Patrick zieht sie also ins Vertrauen und verpflichtet sie gleichzeitig zur Verschwiegenheit: Das Baumhaus habe der elfährige Ottiwell in Brand gesteckt. Und nur er, Patrick, und jetzt sie, Kathi, kennten die Wahrheit: Ottiwell hat sein eigenes Baumhaus mit Benzin getränkt, die beiden „Mörder“ seines Teddys Balthasar hereingelockt, ist durch die Dachluke oben hinaus, hat dann, ehe die beiden es bemerkten, unten die Luke geschlossen und dann durch ein kleines Loch ein Streichholz hineingeworfen. Kathi ist sprachlos. Kathi erfährt auch die Wahrheit über den Streit mit seinem Vater: Dr. Moewig, ein Kollege von Patricks Großvater, der wie dieser unentdeckt geblieben war, wollte, von Gewissensbissen geplagt, viele Jahre nach dem Krieg auf einmal alles aufdecken und wurde von Dr. Alexander Fredericks (»A. F.« auf dem Papierfetzen), ermordet. Patricks Großvater kehrte dazu 1971 mit der neuen Identität als Dr. Fredericks zusammen mit Patricks Vater für ein paar Tage nach Deutschland zurück, lockte Moewig zu einem vertraulichen Gespräch in ein idyllisches Waldstück, überwältigte ihn mit Hilfe seines Sohnes, der dort auf der Lauer lag, und erhängte ihn. William Fredericks hat sich also als Mittäter schuldig gemacht. Patrick hatte schon lange eine Ahnung hinsichtlich der Nazi-Vergangenheit des Großvaters und nicht zuletzt dies war der Grund ausgerechnet in Hamburg ein Geschichtsstudium aufzunehmen. Eine Seminararbeit führte dann zu den Alsterdorfer Anstalten und bald hatte er Gewissheit, dass sein Großvater besagter Dr. Friedrichs war, der Kinder in den Tod schickte. Während des Weihnachtsurlaubs hatte er dann im unter Verschluss gehaltenen alten Rollschrank seines Großvaters einen Hinweis auf ein Wiedersehen mit Moewig gefunden und seinen Vater, nachdem er durch die Kontaktaufnahme mit Frau Moewig genug wusste, damit konfrontiert. (An die Deutschlandreise von Vater und Großvater erinnerte eine Postkarte, die ebenfalls zu den im Rollschrank gefundenen Dokumenten gehörte.) Als dieser nicht einwilligen wollte, die Sache ans Licht zu bringen oder wenigstens beim Pfarrer zu beichten, entschied Patrick, stellvertretend für seinen Vater zur Beichte zu gehen. Sein Vater konnte ihn nicht davon abhalten. Was Patrick jedoch erst jetzt erfährt: Es war noch ein Gespräch zwischen seinem Vater und dem alten Pastor avisiert: kurz vor dessen Todestag. Patrick fällt aus allen Wolken. Sollte der alter Pastor Opfer eines weiteren Mordes geworden sein? Klar ist Patrick schon seit langem, dass es irgendwelche dunklen Verbindungen zwischen seinem Vater und der rechtsextremen Szene rund um Charles gibt, denn zum Schein hatte er sich eine Zeitlang in diese Szene hineinbegeben. So erklären sich die Angriffe auf den Pastor und das beschmierte Pfarrhaus. Da Kathi weiß, dass sich Reynolds zu dieser Zeit mit Fredericks treffen wollte, befürchten sie nun einen Anschlag auf das Leben des Vikars und brechen sofort nach Mistwater auf. Parallel zur Aussprache zwischen Patrick und Kathi findet ein Gespräch zwischen Fredericks und Reynolds statt. Der gibt sich zunächst betont freundlich und lässt Reynolds Platz nehmen. Dann serviert er ein Glas Wein. Seine Haushälterin habe heute ihren freien Tag. Reynolds konfrontiert den Doktor schonungslos mit einer Reihe von Vorwürfen. Er spricht ihn auf die merkwürdigen Bücher an, die ihm schon bei seinem letzten Besuch aufgefallen waren. Provokant erklärt Reynolds, wenn sein Gegenüber Zeitung gelesen habe, dann wisse er ja, dass das Spiel mit dem Teufel selten gut ausgehe, denn die verstorbenen Jugendlichen hatten ja auch Verbindungen zu der Gruppierung rund um Charles. Dann spricht er ihn auf die vertuschte Verbrecher-Vergangenheit seiner Familie in der Nazi-Zeit an, als sich Dr. Alexander Fredericks, sein Vater, mit unlauteren Gutachten, die unschuldige Kinder in einen gewissenlosen Euthanasie-Tod trieb, bei den Nazis hochdiente. Vorwurf Nummer drei: Gemeinsam mit seinem Vater, Dr. Alexander Fredericks, habe er 1971 den reuigen Dr. Moewig kaltblütig aus dem Weg geräumt, als dieser mit seiner Nazi-Vergangenheit aufräumen wollte und damit den Ruf der Familie Fredericks gefährdete. Lächelnd streitet Fredericks nichts von allem ab – nachdem Reynolds eingewilligt hat, die Ausführungen als vertrauliches Beichtgespräch zu behandeln, für das man ja in „unserer Zeit“ nicht die altmodische Einrichtung eines Beichtstuhls mehr benötige. Reynolds durchschaut sofort, dass sein Gegenüber sich durch diesen Schachzug nur gegen polizeiliche Nachforschungen schützen will, bei denen Reynolds nicht mehr als Zeuge dienen könnte, doch er gibt ihm auch zu vestehen, dass Fredericks ihn missverstehe, wenn er glaube, dass er als Detektiv und nicht als Seelsorger hier sei. Auf das auffällige Todesdatum des Pastors Williamson angesprochen erklärt Fredericks, er wisse zwar, worauf Reynolds hinauswolle, aber er sei auf dem Holzweg: Man könne eine Exhumierung veranlassen und werde nichts finden. Der Pfarrer sei tatsächlich eines natürlichen Todes gestorben. Gott selbst scheint – Ironie des Schicksals – im Gegensatz zu vielen Menschen kein Interesse daran gehabt zu haben, dass diese schlafenden Hunde geweckt würden. Das eigentlich Erschütternde an dem ganzen Fall, schließt Reynolds, sei, dass ihm, Fredericks, durch seinen eigenen Sohn der Ausweg aus der ganzen Misere eigentlich sperrangelweit offen stehe: der Weg von Buße und Vergebung. Nicht das Theater, das er ihm jetzt vorspiele, sondern eine echte Buße, eine Abkehr von dem Bösen, das sich in seinem und seines Vaters Leben breit gemacht habe. So aber bedürfe es keiner Polizei und keines Richters um Fredericks zu richten. Das Verbrechen berge ja den Keim der Zerstörung und Zersetzung des Lebens in sich und Fredericks habe sich durch seinen glaubenslosen Lebensentwurf selbst auf ewig von Seelenfrieden und göttlichem Segen abgeschottet, die die Grundvoraussetzung für ein gelingendes Leben seien. Das habe gewiss auch sein Vorgänger ihm vorschlagen wollen. »Jesus«, so Reynolds, »stößt nie jemanden hinaus, der zu ihm kommt, auch nicht, wenn seine Hände von Blut triefen.« Denn nur so könne der Teufelskreis des Bösen durchbrochen werden. Fredericks und sein Vater aber hätten sich selbst hinausgestoßen ins Verderben. Und so habe das Böse immer wieder Böses gezeugt – bis hin zum bitteren Ende. Kathi und Patrick kommen schließlich besorgt in Mistwater an, stellen aber erleichtert fest, dass es Reynolds gut geht. Dann suchen sie Ottiwell auf, der weinen muss, weil die Mütter der beiden Getöteten mit Bildern in der Zeitung gestanden hätten. Kathi und Patrick gehen am Dorfrand spazieren und überdenken ihre Beziehung. Patrick ist entschlossen den mit Gott neu begonnenen Lebensweg konsequent fortzusetzen und mindestens ein Jahr im Café Jerusalem zu bleiben. Er kann sich selbst im Hinblick auf die Beziehung, die sie bisher miteinander hatten, den Vorwurf nicht ersparen, dass vieles von seiner Seite her egoistisch und unaufrichtig gewesen sei. Er empfinde es heute beispielsweise als verlogen, dass er mit ihr zusammengelebt habe, aber nicht einen Gedanken daran gehabt hätte sie zu heiraten. Er sei ihre Beziehung überstürzt und ohne den nötigen Ernst eingegangen – und er schulde ihr mehr als das. Irgendwann werde Jesus aus ihm, so hoffe er, einen Menschen gemacht haben, der es verdiene, von ihr geliebt zu werden, und dann werde er sich freuen ihr ganz neu begegnen zu dürfen. Kathi bekommt eine Ahnung von dem, was es heißt durch den Glauben zu einem anderen Menschen zu werden. Sie muss weinen. Mit einer Umarmung nehmen sie Abschied voneinander. Als Kathi im Flugzeug nach Hamburg sitzt, hat sie zum ersten Mal in ihrem Leben das Gefühl etwas zu verstehen von dem, was Patrick meinte, als er sprach von der »herrlichen Freiheit der Kinder Gottes...« ----- Fallender Engel (nach Schillers Trauerspiel „Kabale und Liebe“) Kurz-Treatment für einen Spielfilm (90 Min.) (= Anlage 2) Kategorie: Drama/Thriller © 2004 by D. Mehrens Anlage 1: Übersicht Personen: Fredo Aksan, 27 Jahre, Student, leidenschaftlich, überschwänglich, zuweilen jähzornig, ein echter „Draufgänger“ Erol Aksan, 50 Jahre, sein Vater, reicher, türkischstämmiger Geschäftsmann mit Verbindungen zur Unterwelt, neigt wie sein Sohn zu emotionalen Ausbrüchen Luisa Müller, 20 Jahre, Studentin der Musikwissenschaften, sehr gottesfürchtig Berthold Müller, 50, Luisas Vater Elisabeth Müller, 45, Luisas Mutter Alessandro Vermino, 30, Erol Aksans rechte Hand Martin Latour, 30, Journalist, Studienfreund von Fredo Miranda Girone, genannt Lady M., 35, einflussreiches Luxus-Callgirl Elvira, 20, ihr Zimmermädchen Emanuel Reich, 22, hoch verschuldeter Studienkollege von Luisa Ort und Zeit der Handlung: eine deutsche Großstadt, Gegenwart Kurzfassung des Inhalts: Fredo, Sohn eines ebenso mächtigen wie kriminellen Unterweltkönigs, und Luisa, Musikstudentin, lieben sich. Fredos Vater Erol hat jedoch andere Pläne mit seinem Sohn: Er soll dem Edel-Callgirl Lady M., die Beziehungen zu den höchsten Kreisen unterhält und unsterblich in Fredo verliebt ist, das Ja-Wort geben. Als Fredo gegen seinen Vater aufbegehrt, schmiedet der gemeinsam mit dem gewissenlosen Vermino, der selbst hiner Luisa her ist, einen hinterhältigen Plan, der das Glück der Liebenden zerstört. Kraftvoll, dynamisch, fesselnd – „Kabale und Liebe“ zeigt Schiller at his best und diese temporeiche Neuinszenierung 200 Jahre nach seinem Tod die unverbrauchte Frische des zeitlosen Klassikers. Ein Drehbuch mit dem Potential zum Kassen- und Kultur-Knüller! Im Anschluss an das Exposé das zweite Bild des Films: Fredo holt Luisa von der Kirche ab um sie zum Essen auszuführen... Im Anhang: Kurzbiografie des Autors und die Erklärung zu den Rechten Büro von Martin Latour Martin legt Fredo eindeutige Beweise vor, die enthüllen, dass sein Vater vor einigen Jahren in eine schmutzige Affäre verwickelt war, bei der ein einflussreicher Bankier ermordet wurde. Der Bankier wollte offenbar aus einem Schiebergeschäft aussteigen und wurde liquidiert. Im Ferrari/auf der Straße Fredo saust im Ferrari durch den Sonntagmorgen-Verkehr, träumt und singt von Luisa – darüber TITELEI. Eingang vor einer Kirche Luisa kommt aus dem Sonntagsgottesdienst und wird von Fredo stürmisch mit Blumen überrascht. Luisas Gefühle sind gemischt: Sie findet, dass er ihr hier nicht auflauern sollte, solange er, ein nicht-praktizierender Moslem, sie und ihre religiösen Gefühle nicht ernst nehme. Doch mit seinem Charme und seiner guten Laune gewinnt Fredo rasch Luisas Sympathie und kann sie überreden mit ihm in eine Pizzeria zu gehen, wo man noch nicht mal bezahlen müsse, da sein Vater das Restaurant gekauft habe. Luisa, die eigentlich zum Essen bei ihren Eltern erwartet wird, lässt sich überreden. Zu Hause bei Familie Müller Aksans rechte Hand Vermino besucht die Müllers. Ziel des Besuchs ist es, förmlich um die Hand der Tochter anzuhalten, obwohl die noch gar nichts von „ihrem Glück“ weiß. Vermino erklärt, er stamme eben aus einer sehr konservativen italienischen Familie, in der Traditionen und Umgangsformen gepflegt würden. So gelte es zuerst das Einverständnis der Eltern zu gewinnen und dann das Herz der Angebeteten. Während der Vater den Auftritt Verminos für eine Farce hält, ist Frau Müller vom Auftreten und den Manieren des jungen Mannes sehr angetan. Luisas aktueller Freund Fredo dagegen sei doch ein Windbeutel und von den Geschäften seines Vaters höre man auch nicht nur Gutes. Kurz nach dem Verschwinden Verminos tauchen Luisa und Fredo gemeinsam im Haus der Familie Müller auf. Fredo versichert beide Eltern seiner ernsten Absichten. Der Vater bringt vorsichtig bestimmte Gerüchte hinsichtlich der Geschäfte seines Vaters zur Sprache, woraufhin sich Fredo mit aller Entschiedenheit von seinem Vater distanziert. Ja, er sei sogar mit einem jungen Journalisten befreundet, der dabei sei, die unlauteren Geschäfte des Vaters zu enthüllen. In Aksans Villa Aksan unterrichtet Vermino davon, dass er fast am Ziel seiner Träume sei: Wenn es gelänge seinen Sohn Fredo mit Lady M. zusammenzubringen, die ja ganz versessen auf Fredo sei (sie haben einmal auf einem Ball miteinander getanzt), müsse er sich um die Protektion seitens einflussreicher Politiker nie wieder Sorgen machen. Doch Vermino warnt: Momentan drohe Gefahr aus einer ganz anderen Richtung. Der Journalist Martin Latour sei nach Verminos Informationen einigen dunklen Machenschaften Aksans von früher auf die Schliche gekommen und drohe alles zu enthüllen. Vermino zeigt Bilder, die er heimlich bei der Observation Latours gemacht hat: Sie zeigen den Journalisten im Gespräch mit Leuten, die in die Affäre damals verwickelt waren. Aksan reagiert mit einem Wutausbruch. Sein Befehl ist eindeutig: „Liquidieren!“ Vermino gibt zu bedenken, dass der Journalist ein Studienfreund seines Sohnes Fredo sei. Wenn er herausfinde, wer Latour umgebracht habe, könne das für einige Irritationen sorgen. Doch das bestärkt Aksan eher noch in seinem Entschluss. Als Fredo bei seinem Vater auftaucht, ist die Begrüßung zunächst noch herzlich, doch dann überrascht Aksan seinen Sohn mit der Ankündigung, er habe ein Rendezvous für ihn arrangiert: Morgen um acht sei er im Hotel Atlantic der Gastgeber der reizenden Miranda Girone. Fredo reagiert empört und regt sich über Mirandas schlechten Ruf auf. Aksan benutzt eine List um zu zeigen, dass sein Sohn ganz andere Probleme als solche der Moral hat. Er teilt ihm mit, dass die Auserwählte eine ganz andere sei, die Tochter eines Staatssekretärs mit ausgezeichnetem Ruf. Als sich Fredo wieder weigert, ist er durchschaut: Er liebe offensichtlich eine andere, doch er habe sich gefälligst den Wünschen und Interessen seines Vaters unterzuordnen. Die beiden scheiden im Streit voneinander. Auf der Straße Missmutig verlässt Fredo am nächsten Morgen im flotten Ferrari das Domizil seines Vaters, als er einen Anruf von Martin bekommt. Dem ist irgendwie unwohl zumute. Vielleicht sei alles nur Einbildung, aber er habe das Gefühl von einem Typen belauert zu werden. Er habe das pockennarbige Gesicht mit einem Muttermal auf der Stirn jetzt schon zum wiederholten Male an verschiedenen Orten gesehen. Fredo stutzt und lässt sich den vermeintlichen Verfolger näher beschreiben. Rasch wird klar, dass es sich um Vermino handelt. Fredo rät Martin eine Telefonzelle aufzusuchen und von dort Luisas Nummer anzurufen, weil Vermino sie vielleicht gerade abhört. Er selbst sei eben auf dem Weg zu Luisa um mit ihr zu frühstücken. Martin legt auf und besteigt seinen Wagen. Als Martin die Zündung betätigt, explodiert das Auto. Bei den Müllers Fredo trifft bei Luisa ein, die die ganze Situation nicht versteht. Fredo weiht sie in die Pläne seines Vaters ein, versichert sie aber seiner bedingungslosen Liebe und Treue. Der Anruf von Martin bleibt aus. Aus dem Radio erfahren die beiden von dem tödlichen Anschlag auf Martin. Gemeinsam fahren sie zur Universität. Im Hotel Atlantic Beim gemeinsamen Abendessen erklärt Miranda, ganz verführerische Dame, Fredo ihre vorbehaltlose Liebe und versucht ihn mit der Aussicht auf „Sex wie von einem anderen Stern“ zu gewinnen. Aber Fredo raubt ihr sofort alle Hoffnung und wirft ihr außerdem ihren kriminellen Vater sowie ihren Lebenswandel vor. Miranda gelingt es jedoch Fredo davon zu überzeugen, dass sie beide gewiss eines gemeinsam haben: Männer, mit deren Handlungsweise sie ganz und gar nicht einverstanden sind. Wie oft habe sie versucht solche Männer, wenn sie mit ihr im Bett lagen, von kriminellen Aktionen abzuhalten, wenn sie davon Wind bekommen habe! Und wer könne es ihr übel nehmen, wenn sie auf der Suche nach der wahren Liebe viele Irrwege beschritten habe, die ihr aber um so klarer gemacht hätten, was echte Liebe sei und für wen sie so empfinde... Diesen völlig unerwarteten Zugeständnissen zum Trotz weist Fredo Miranda ab, weil er eine andere liebe. Bei Aksan Vermino muss berichten, dass die belastenden Dokumente nicht aufgetaucht sind, obwohl er die Wohnung des ermordeten Journalisten gründlich durchsucht hat. Der Spitzel in der Zeitungsredaktion habe auch nichts finden können. Aksan hofft jetzt wenigstens das Problem mit seinem Sohn lösen zu können: Wenn er dieses Mädchen, diese Luisa, wirklich liebe, dann müsse man jetzt etwas dagegen unternehmen. Bei Familie Müller Luisa wundert sich über einen anonymen Brief. Einziger Vermerk: für meinen Freund Fredo. Gerade will Fredo den Brief öffnen, da dringen Aksan und Vermino in die Wohnung ein um ein für allemal klar zu machen, dass aus der Liebe zwischen Fredo und Luisa nichts werden könne. Es kommt zum Streit mit dem alten Müller, der, obwohl er Angst hat vor dem zwielichtigen Aksan, diesen des Hauses verweisen will. Als Vermino daraufhin die Pistole zückt und Luisas Vater und Mutter offen bedroht, enthüllt Fredo das Geheimnis der Schlüssel, die er soeben aus dem Umschlag geholt hat: Die Schlüssel gehören zu einem Schließfach. Und in dem müssten sich ja äußerst belastende Beweise befinden, dass man seinen Freund Martin deswegen habe umbringen müssen! Werde dem Ehepaar Müller oder Luisa auch nur ein Haar gekrümmt, könne sein Vater sicher sein, so Fredo, dass er die Beweise höchstpersönlich der Polizei aushändigen werde. Kalt lächelnd fragt Aksan, wer denn von Gewalt gegen die Müllers spreche. Es gebe doch noch ganz andere Wege. Er verabschiedet sich und auf einen Wink Aksans hin zwingt Vermino das Ehepaar Müller mit ihnen zu kommen. Luisa und Fredo bleiben hilflos zurück. Fredo bekräftigt noch einmal, dass man sich auf keinen Fall unterkriegen lassen dürfe. Ihre Liebe sei ewig und unzerstörbar; wenn sie nur daran festhielten, werde alles gut! Vermino und Aksan gehen im Park der Villa spazieren Der nächste Morgen: Vermino heckt einen neuen Plan aus: Solange die beiden Liebenden sich ihrer Liebe sicher seien, würden sie zusammenhängen wie Pech und Schwefel. Dagegen sei kein Kraut gewachsen, doch eine List könne sie auseinanderbringen. Man habe schließlich immer noch die Eltern, die sich an einem sicheren Ort befänden, als Druckmittel! Er, Vermino, werde Luisa zwingen einen Anruf mit lauter Liebesschwüren bei Emanuel Reich zu tätigen, einem Studienkollegen von Luisa, der Aksan wegen seiner horrenden Spielschulden in einem von Aksans Casinos, völlig ausgeliefert sei. Luisas Anruf, dafür werde er schon sorgen, werde von Reichs Anrufbeantworter aufgezeichnet werden und das Band Fredo auf sicherem Wege zugehen. Nach dem Schock werde es sicher kein Problem mehr sein Fredo zu überzeugen in eine Ehe mit einer Frau einzuwilligen, die ihn wirklich liebe. Am Bahnhof/Auf der Straße Fredo öffnet das Schließfach mit den belastenden Unterlagen und fährt mit dem Auto in Richtung Stadtausgang davon. Rasch bemerkt er einen Verfolger, kann ihn aber durch einen provozierten Unfall unschädlich machen: Der Mann rast gegen einen Baum. Fredo schleift den verletzten Mann aus dem Auto, erkennt in ihm einen Mitarbeiter seines Vaters und verprügelt ihn mit unnötiger Brutalität. Bei den Müllers/Waldhütte Das Ehepaar Müller ist unversehrt wieder zu Hause eingetroffen und Luisa verständigt Fredo, der dabei ist, die geheimen Unterlagen in einer Waldhütte zu verstecken, durch einen Anruf auf seinem Mobiltelefon sofort davon. Beide sind voller Zuversicht, dass ihrer Liebe jetzt nichts mehr im Weg stehen könne. Doch kaum hat Luisa aufgelegt, steht Vermino vor ihr. Er bittet sie unter vier Augen mit ihr sprechen zu dürfen und macht klar: Für die Rettung der Eltern erwarte er eine kleine Gefälligkeit ihrerseits: In einem vertraulichen Gespräch mit Luisa, in dem er seine Gefühle für sie nur mit Mühe unterdrücken kann, gelingt es Vermino sie zu überzeugen, dass ihre Eltern erst dann dauerhaft in Sicherheit sein werden, wenn sie die folgende Nummer anrufe und den folgenden Text auf Band spreche: „Geliebter, meine Eltern sind wieder frei! Aber da ist noch diese andere Sache, die mir auf der Seele liegt: Wie lange noch soll ich diese Komödie spielen? Wäre nur schon alles vorbei! Ich liebe dich, ich brauche dich! Oh, Emanuel, ruf mich zurück, sobald du da bist, ja?“ Nur mit äußerstem Widerwillen gelingt es Luisa den Text überzeugend zu sprechen. Zum Schluss muss sie noch auf die Bibel schwören nie zu verraten, dass sie den Anruf nur unter Druck getätigt hat. Unfallstelle/Villa Aksan Der von Fredo verprügelte Mann meldet sich telefonisch bei Aksan und teilt ihm mit, was passiert sei. Aksan errät, dass sein Sohn auf dem Weg zu der Waldhütte ist, die der Familie gehört. Er beschließt sofort dorthin zu fahren. Waldhütte Aksan zündet die Waldhütte an. (Fredo ist unterdessen schon wieder mit dem Auto unterwegs.) Bei Emanuel Reich Vermino hört sich mit sichtlichem Vergnügen die Aufnahme an und nimmt das Band an sich. Postamt Fredo gibt umfangreiche Sendungen auf, die er hektisch beschriftet. Villa Aksan Als Fredo nach Hause kommt, wartet Vermino bereits auf ihn: Er spielt ihm höhnisch lächelnd das Band mit Luisas Liebesschwüren vor. Außer sich vor Wut schlägt Fredo Vermino nieder und erwürgt ihn fast. Aber Vermino behält die Nerven: Warum schlage er denn den Postboten für den Inhalt der Sendung? Wenn er ihm nicht glaube, könne er ja selbst mit den beiden Liebenden sprechen und sich überzeugen, ob etwas dran sei an der Sache. In Lady M. Appartement In ihrer Verzweiflung hat Luisa ihre vermeintliche Nebenbuhlerin aufgesucht und bittet sie Fredo freizugeben. Miranda reagiert zunächst kühl und überheblich. Erst als sie sieht, wie echt Luisas Liebe zu Fredo ist und wie erbärmlich ihr Werben um einen Mann, der sie ja doch verschmähen muss, ändert sie ihre Meinung: Sie umarmt Luisa und betrachtet sie als ihre Leidensgenossin. Schließlich seien beide demselben Mann verfallen. Nachdem Luisa gegangen ist, befiehlt sie ihrem Zimmermädchen die Koffer zu packen. Mit dem korrupten Milieu, in dem sie reich geworden ist, will sie nichts mehr zu tun haben: Sie habe eine Zusage von einer amerikanischen Universität und jetzt halte sie nichts mehr in diesem Lande. Bei Emanuel Reich Gleichzeitig findet eine wenig erbauliche Unterredung zwischen Fredo und Emanuel statt. Nachdem Fredo ihn verprügelt hat, keucht Emanuel, er sei nur das Opfer einer Intrige: Er sei gezwungen worden bei diesem abgekarteten Spiel mitzumachen, weil er Spielschulden habe. Und Luisa sei wohl auch gezwungen worden, erwidert Fredo höhnisch. Darüber wisse Emanuel nichts, er vermute aber ja. Fredo verweist indes auf den Zeitpunkt des Anrufs, der digital gespeichert wurde: eine halbe Stunde, nachdem ihre Eltern wohlbehalten nach Hause zurückgekommen seien und kein Mensch mehr etwas als Druckmittel gegen sie in der Hand gehabt habe. In ihrer Freude habe Luisa wohl gleich beide angerufen: erst den alten Liebhaber um der lästigen Pflicht Genüge zu tun und dann den neuen! Kurzum, Fredo, in seinem wilden Rausch aus Wut und Eifersucht, glaubt nicht an eine Intrige. Übel zugerichtet bleibt sein vermeintlicher Nebenbuhler zurück. Es wird deutlich, dass Fredo jetzt zum Äußersten fähig ist. Villa Aksan Fredo kramt in der Hausapotheke und nimmt ein geheimnisvolles Fläschchen an sich. Bei den Müllers Sein nächster Weg führt Fredo zu Luisa. Sie scheint erleichtert ihn zu sehen, doch er reagiert kühl, fordert sie auf mit ihr einen Ausflug zu machen. Im Wagen Im Auto spielt er ihr das Band vor und fragt, ob sie das sei, die da spreche. Sie kann es nicht leugnen, windet sich, bringt es aber – auch eingedenk ihres Schwures – nicht fertig die Wahrheit zu sagen. Fredo gibt in selbstmörderischer Absicht Vollgas und rast mit der konsternierten Luisa über die Landstraße. Luisa, die ahnt, dass sie dem Tod ins Angesicht blickt, fühlt sich nun an irdische Eide nicht mehr gebunden. Sie erklärt in knappen Worten, wie es zu der Aufnahme kam. Zu spät: Fredo stürzt sie beide in einen Abgrund. Er hofft sie in „der anderen Welt“ wiederzutreffen, falls Gott bereit sei ihm seine Sünden zu vergeben. Eine Kiesgrube (Unfallort) Die Müllers, Fredos Vater und Vermino kommen zu spät an den Tatort (Fredo hatte seinem Vater auf der Mailbox die Nachricht hinterlassen, wo man seine sterblichen Überreste werde finden können). Zuvor war Aksan verzweifelt bei Luisas Eltern aufgetaucht. In seinem Gefolge: Vermino, der immer noch hofft Luisa für sich zu gewinnen, nachdem zwischen ihr und Fredo alles aus ist. Gemeinsam finden Sie nun das Autowrack. Luisa ist tot, Fredo liegt in den letzten Zügen. Die Kraft reicht aber noch aus um dem Vater mitzuteilen, dass die belastenden Dokumente längst auf dem Weg zu Presse und Staatsanwalt seien. (In der Waldhütte lagen nur Kopien.) Wutentbrannt beschimpft daraufhin Aksan Vermino und beschuldigt ihn der Urheberschaft aller Intrigen. Dieser verwahrt sich dagegen und droht mit der Kronzeugenregelung, die Aksan ein für allemal das Handwerk legen werde. Ehe die von Vater Müller verständigte Polizei eintrifft, erschießt Aksan Vermino in einem Wutausbruch. Mit der Waffe in der Hand starrt er fassungslos auf seinen toten Sohn, während draußen das Martinshorn lauter wird. Anlage 3: Dialogprobe (aus Szene 2) LUISA: Du solltest lieber selbst mal in einen Gottesdienst kommen anstatt mir hinterher aufzulauern. Würde dir gut tun. FREDO: Goldstück, du weißt doch, ich bin Moslem. Moslems gehören in Moschee, nicht in eure heiligen Kirchen. LUISA: Aber in die Moschee gehst du ja auch nicht. FREDO: Ich und Gott – das ist besondere Beziehung, hier (er klopft sich aufs Herz) – Gott ist tief hier drin. Und du bist gleich nebenan, ungefähr (er tastet sich mit den Fingern auf seiner Brust nach rechts) – hier! LUISA (lächelt): Trotzdem – was der Herr Pfarrer heute gepredigt hat, geht alle an. Das wäre für dich auch interessant gewesen. Es ging darum, dass es im Leben jedes Menschen Dämonen gibt, die ihn jagen. In der Bibel gibt es eine Geschichte, wo ein Mann von ganz vielen Dämonen besessen ist und Jesus treibt sie aus und sie fahren in eine Herde von Säuen. FREDO: Das ist ganz einfach zu verstehen, Goldstück: Jesus wollte zeigen: Der Typ da, das war’ne ganz arme Sau war das! LUISA: Ja, aber irgendwo ist jeder Mensch eine arme Sau. Weil sein Dämon ihn drangsaliert und ohne dass er sich dagegen wehren kann, stürzt er ihn am Ende ins Unglück. Für die einen ist es, dass sie zu geldgierig sind... FREDO: Mein Vater... LUISA: ...ein anderer ist ständig hinter Frauen her und kann nie treu sein... FREDO: Kenn’ ich! Das Problem hatte ich früher auch mal, aber seit ich dich kenne, ist Dämon verschwunden, spurlos! LUISA: Oder jemand leidet an Depressionen, weil er mit irgendwas nicht fertig wird. Und das wird ihm am Ende zum Verhängnis und vielleicht nicht nur ihm... Wusstest du, Fredo, dass der Teufel früher ein Engel war? FREDO: Was, Teufel? Der Sauhund! LUISA: Aber als er mit Gott konkurrieren wollte, hat Gott ihn fallen lassen, ihn aus dem Himmel gestürzt. Und jetzt benutzt er seine Macht und seine Dämonen, damit Menschen wie dir und mir genau das gleiche passiert wie ihm einst. Was glaubst du, Fredo, was ist dein Dämon? FREDO: Das ist ganz klar: Du bist mein Dämon, Goldstück! Mein großes Problem ist, dass ich viel zu verliebt in dich bin und kaum noch einen Schritt ohne dich machen kann. Und wenn ich dich drei Stunden nicht gesehen habe, dann habe ich sie auch, diese... diese Depressionen, klar! Aber dann ist da noch anderer Dämon in mir, der knurrt immer – unheimlich manchmal, sag ich dir. Da! Hast du gehört? (Er zeigt auf seinen Magen.) LUISA: Ach, du nimmst mich nicht ernst, Fredo. Immer musst du alles ins Lächerliche ziehen. FREDO: Nee, ganz im Ernst, Goldstück, da drin ist Dämon, der knurrt wie verrückt. Aber Fredo weiß, wie man mit solchen Biestern fertig wird. Dem werd’ ich’s zeigen! Kommst du mit? LUISA: Wohin? FREDO: Knurrenden Dämon austreiben. In der Pizzeria del Angelo. Müssen wir nicht mal bezahlen. Mein Alter liebt die Pizzas dort, deswegen hat er den Laden gekauft! LUISA: Aber ich habe meinen Eltern versprochen, dass ich heute Mittag bei ihnen zum Essen bin. Ich esse ja sonst immer in der Uni-Mensa, nur heute, am Sonntag... FREDO: Luisa, du bist gute Christin, ja? LUISA: Ja, ich versuch’s... FREDO: Ich frage dich: Kann gute Christin zusehen, wie jemand von knurrendem Dämon belästigt wird, obwohl es ganz leicht wäre, das Vieh loszuwerden? Das müssen deine Eltern doch verstehen, das ist Christenpflicht da zu helfen! (Er zieht sie an sich und küsst sie.) Falling Angels (based on the play „Love and Intrigue“ by F. Schiller) In the tradition of “Ten Things I Hate about You” and “Cruel Intentions” another stunning high-speed interpretation of a classic play! Characters: Fredo Aksan, 27, student, choleric and passionately in love with Luisa MILLER Erol Aksan, 50, his father, corrupt entrepreneur Luisa MILLER, 20, student of music, strong believer Burt MILLER, 50, Luisa’s father Elizabeth MILLER, 45, Luisa’s mother Alessandro Vermino, 30, Erol Aksan’s right-hand man, Italian roots Martin Latour, 27, journalist, became Fredo’s friend during studies Miranda Girone, called Lady M, 35, call-girl having most influential lovers Evita, 20, her chambermaid George Bergman, 22, Luisa’s student colleague, desperately in debt Time and place: present; a modern western city Plot Outline: Fredo Aksan is the only son of an influential businessman of Turkish origin closely linked to Mafia activities. Being in love with Luisa, a music student who has strong faith in God, Fredo gets in big trouble with his father Erol, who wants him to marry Lady M, a first-class call-girl with many influential “clients”, and, at the same time, deeply in love with Fredo. In order to force his son to accept the liaison Erol Aksan first threatens to harm Luisa’s parents. Fredo furiously launches a direct counter-attack by menacing to publish a file on some of his Dad’s sordid business affairs, which his friend Latour, a journalist, has put together and given to Fredo shortly before his sudden death (evidently caused on Aksan’s command). After the failure of this first attempt to reach his goals, Aksan’s right-hand man Vermino, who himself aspires to marry Luisa, forges an intrigue to convince Fredo that Luisa has been unfaithful to him: Vermino has had Luisa’s parents abducted to a secret place and menaces to do them harm. Thus Luisa accepts to speak words to another lover (her student colleague George) recorded as a mailbox message by Vermino. When Vermino presents this message to Fredo, the latter loses his temper, rushes to George’s place and, in an outrage, almost kills him ignoring George’s explanations that he was forced by gangsters to play his role in the game. Fredo’s next stop is at Luisa’s. Claiming to take her out on a short car trip he wantonly causes a suicidal accident killing Luisa, who only in the very last moment can reveal the truth to her lover. Both die. Since Fredo has beforehand sent the evidence concerning his father’s crimes to a newspaper, Erol Aksan, already struck with grief on account of his son’s lethal accident, is completely ruined, and with rage shoots Vermino. Scene 2 – Parking lot in front of the Aksans’ villa FREDO JUMPS INTO HIS FERRARI AND DRIVES OFF WITH SQUEAKING TIRES. MUSIC PLAYING FROM HIS CAR RADIO. FREDO: And now, we’re gonna surprise our most beloved, beautiful, bellissima Luisa. Luisa, I’m coming! I’m coming to get you out of God’s claws, for even God couldn’t hold you if love is as strong as mine is for you. Luisa, I’m coming. THE RADIO PLAYS A FAMOUS GOSPEL SONG, FREDO SINGS IT, FOLLOWING THE ORIGINAL LYRICS, BUT ALWAYS REPLACES “JESUS” BY “LUISA”. Scene 3 – Parking lot of Christ Church FROM THE PARKING LOT, THERE IS A FOOTWALK LEADING, THROUGH A ROW OF TREES, UP TO THE OLD CHURCH BUILDING. FREDO ARRIVES IN HIGH SPEED AND BRAKES VERY SUDDENLY. THEN HE JUMPS OUT OF THE CAR. CHURCH BELLS ARE RINGING. Scene 4 – In front of Christ Church LOTS OF PEOPLE COMING OUT OF THE CHURCH. LUISA IS SHAKING HANDS WITH THE PARSON AT THE PORTAL AND ALL OF A SUDDEN DISCOVERS FREDO IN THE CROWD. SHE TRIES TO IGNORE HIM AND WANTS TO CONCENTRATE ON THE PARSON STILL TALKING TO HER, BUT SHE CANNOT HELP GLANCING AT FREDO BRIEFLY. THEN FREDO APPROACHES HER, TAKES HER HAND AND TAKES HER AWAY. FREDO: Excuse me, Reverend, Luisa has a very urgent meeting. She promises to be back next Sunday. FREDO AND LUISA GO DOWN THE CHURCH ALLEY LEADING TO THE PARKING LOT. LUISA: You should rather come to a service yourself instead of kidnapping faithful visitors. You’d profit enormously from God’s word. FREDO: Honey, you know: me Muslim, me cannot go Christian service, me go mosque! LUISA: Are you telling me that you have ever seen the interior of a mosque? FREDO: Well, maybe as a child. I can’t remember. Must have been very, I mean, veery young. But, now, you know, me and God, that’s a very special kind of relationship. (HE PUTS HIS HAND ON HIS HEART.) Here, God is deep down inside here. And you are his direct neighbour, let’s say, about… here. (HE POINTS TO A CLOSE-BY PART OF HIS CHEST.) Isn’t that great, having God directly in you neighborhood? LUISA (SMILING): However – what the Reverend preached today would have been of equal importance to you. His sermon was about the demons inside. Every man, he said, has got demons that haunt him. In the Bible, there is the story of a man who is possessed by a legion of demons and the Lord Jesus all chases them away and they move into a herd of pigs. FREDO: That’s easy to understand, honey, Jesus wanted to show that that guy was a really poor pig. LUISA: Yes, but somehow, we’re all such a poor pig. Every man is a poor pig because of the demon that vexes him and without his being able to do anything against it he will ruin him at last. Some may be too greedy and that’s the demon causing them trouble… FREDO: Daddy… LUISA: … another one cannot keep his eyes form any girl’s bosom, when he passes her… FREDO: I know that, I know that kind of problem. I suffered from that, too. But since I met you, I really don’t know how, but this demon disappeared, no trace, really! LUISA: Or someone suffers from depressions because there is something in his past he cannot get rid of, and at last it destroys him, and not only him… Did you, as a Muslim, know that the devil was an angel, before? FREDO: What? That sucker! He shall go to hell! LUISA: That’s where he went. God let him fall out of the heavens and now, he uses his power and his demons so that humans like you and me experience the same downfall as he once did. Fredo, what do you think is a demon? FREDO: There is no doubt about that: you are my demon, honey, cos I am haunted by you and there is no step I can go without you. And not having seen you for more than two hours makes me crazy and I also start suffering from these… these depressions you just mentioned. It’s a horror! And, man, then there is that other species of demon that’s really up to killing me sometimes. And he makes this very strange, very scary noise. I tell ya, that’s spooky, girl! (Suddenly, he looks very bewildered.) Listen! Have you heard that? (HE POINTS AT HIS STOMACH.) There! Again! LUISA: You do not take me seriously, Fredo, you always have to turn everything into ridicule. FREDO: No, I am serious, honey, really! There inside is a demon and it roars like crazy. But, man, Fredo knows how to deal with these beasts! I will give it to him, I will! You wanna come with me? LUISA: Where? FREDO: Exorcise roaring demon! In the Pizzeria del Angelo. We even do not need to pay anything. My Daddy bought the whole thing because he loved the pizzas over there so much! LUISA: But I promised my parents that I would come for lunch today. You know that I do not see them regularly any more during the week. Only on Sunday… FREDO: Luisa, you are a good Christian, aren’t you? LUISA: Well, I try… FREDO: I honestly ask you: Can a good Christian stand close to someone being vexed by a demon and do nothing although it would be extraordinarily easy for her to cast that beast out? I am sure your parents will understand that it’s your duty to help in such a situation! (HE DRAWS HER NEAR AND KISSES HER.) Scene 5 – Millers’ living room MR. AND MRS.MILLER ARE SITTING IN THE LIVING-ROOM WITH VERMINO, WHO IS SMOKING A SMALL CIGAR. MILLER: Well, Mr. … VERMINO: Vermino, sir. MILLER: Well, Mr. Vermino, let me repeat to check whether I understood it all well. You have come here to ask my daughter’s hand, but she doesn’t even know? VERMINO: I beg you to understand that I come from a very traditional family. In my little hometown in Italy, it is still the habit to ask the parents’ permission before you … undertake further steps… Mrs. MILLER: But – does she love you? As far as I know she is still dating this young… VERMINO (INTERRUPTING): Love, dear Mrs. Miller, to my mind, is like a flower: In spring, it’s still a green, immature bud you wouldn’t even bother to look at, but you give it some time, water it regularly and let the nice, warm spring sun shine upon it and it will become a beautiful blossom… MILLER: But right now, the flower doesn’t even have a stem, right? VERMINO: Well, at least there is fertile ground it can ideally grow in, sir! You ought to be informed that I am not a poor man, sir, and, due to my position within Greyshell Inc. can grant your daughter a highly recommendable standard of … commodities. I think we should just give it a try. Mrs. MILLER: But she has no idea…? VERMINO: Not yet, Mrs. Miller, not yet! But your permission and, above all, your precious support in this matter granted, I will not hesitate one second… MILLER (ABRUPTLY): I have to confess, Mr. Vermino, that a lover who needs the help of the chosen girl’s parents to assure his love’s devotion does not inspire me with the least amount of trust. VERMINO: Well, I deign to suppose that the name of Mr. Erol Aksan, whom I have the honor to serve as personal advisor, might then inspire you with a little more trust… MILLER: All I know about Mr. Aksan rather tends to enforce the bad impression I have been getting since you entered my house. Wasn’t there a very sordid affair, some years ago, of political corruption and Mr. Aksan’s name closely linked to it? And haven’t there ever since remained some ineffaceable stains on his vest? VERMINO: At any rate it is true that Mr. Aksan is a very influential personality and that it is worth having him on one’s side and not against oneself. MILLER: Are you threatening me, Mr. Vermino? VERMINO: No way, Mr. Miller. I just wanted to make sure you know exactly whom you have in front of yourself. MILLER: Well, I think I know this now, Mr. Vermino, and I tend to say good-bye after we… Mrs. MILLER: I think it could be reasonable just to let Mr. Vermino… MILLER (VIOLENTLY TO HIS WIFE): Cut it down, Liz! And you Mr. Vermino better take your leave – the sooner the better. VERMINO IS GETTING UP AND GOES TO THE DOOR. MR. MILLER FOLLOWS HIM. MRS. MILLER, REMAINING SEATED, TURNS TO THEM. VERMINO: I think I don’t have to add anything, anyway. Just think things over in tranquility. Farewell, Mr. Miller … (BOWS) Mrs. Miller… ----- Das Baumhaus Exposé für einen Spielfilm Kategorie: Sozialdrama/Krimi von Didier Personen Felix Meißner, 12 Jahre, Schüler Annett Meißner, 34 Jahre, Journalistin, seine Mutter Detlev Greve, 38 Jahre, ihr Kollege Angelika Hübner, 13 Jahre, Schülerin Rüdiger Pauli, 15 Jahre, Schüler Jürgen Scheidt, 15 Jahre, Schüler Ort und Zeit der Handlung: Anfang der neunziger Jahre in einer größeren ostdeutschen Stadt (z. B. Chemnitz). Handlung im Abriss: Der zwölfjährige Felix kommt nach dem Umzug seiner Mutter an eine neue Schule und hat Schwierigkeiten sich an die veränderte Situation zu gewöhnen. Zwei ältere Schüler erpressen und schikanieren Felix. Einziger Halt sind seine Mitschülerin Angelika und ein zufällig gefundenes Baumhaus. Als Felix durch verschiedene Faktoren in eine Krise gerät, als deren Hauptursache er die beiden feindlichen Mitschüler sieht, lockt er diese in sein Baumhaus und zündet es an. Die Jungen verbrennen. Angelika und Detlev, ein Freund seiner Mutter, finden die Wahrheit heraus – und schweigen. 1 Felix ist zwölf Jahre alt und erlebt gerade die schwerste Zeit seines Lebens. Nach der Scheidung seiner Eltern lebt er bei seiner Mutter, die nach Ostdeutschland gezogen ist. Sie hat einen Freund, der sie nicht gut behandelt und den er hasst. Die meiste Zeit muss sich Felix alleine durchschlagen, da seine Mutter als freie Mitarbeiterin bei einer TV-Produktionsfirma arbeitet und ständig Überstunden machen muss. In der neuen Klasse hat er es schwer sich zu behaupten. Besonders zu schaffen machen ihm zwei Jungen, Jürgen und Rüdiger, die ihn als „Neuen“ an der Schule ständig drangsalieren und schikanieren. Ausgerechnet ein Mädchen, die aufgeweckte und kluge Angelika, ist die einzige gleichaltrige Person, mit der Felix sich anfreunden kann – abgesehen von seinem Teddy Balthasar, den Felix für nichts in der Welt hergeben würde. Nachdem er von den beiden Jungen eines Tages brutal unter Druck gesetzt worden ist, weil er das Passiergeld nicht zahlen will, erwischt ihn Angelika weinend. Er versucht es zu verbergen, was ihm aber nicht gelingt. Durch dieses Ereignis kommen sie sich näher. Felix erfährt, dass auch Angelikas Eltern sich trennen wollen. Nach anfänglicher Scheu gelingt es Felix mit Angelika über dieses Thema zu reden. 2 Auf der Flucht vor Jürgen und Rüdiger, die ihm nach der Schule auflauerten, entdeckt Felix eines Tages ein verlassenes Baumhaus. Er schaut es sich an und beschließt einzuziehen. Felix schöpft wieder Lebensmut. Hier hat er einen Zufluchtsort, ein Refugium, in dem ihn niemand stört. Nach und nach richtet er sich ein. Vorbild für die Einrichtung ist die Zentrale der „drei ???“ aus der gleichnamigen Jugendbuchreihe. Er schleppt Bücher, ein Radio, eine Snackbar und Funkgeräte in sein neues Domizil. Das andere Funkgerät bekommt Angelika und manchmal funkt er sie von seinem Baumhaus an. 3 Detlev, ein junger Redakteur, der sich um Felix’ attraktive Mutter bemüht, wird eines Tages von ihr zum „Kinderbetreuer“ gemacht. Detlev hatte angeboten, mit Annett, Felix’ Mutter, und ihrem Sohn ins Kino zu gehen. Da sie aber einen Arzttermin hat, bittet sie ihn mit Felix ins Kino zu gehen. Felix freundet sich mit dem humorvollen jungen Mann an und fragt ihn sogar direkt, ob er an seiner Mutter interessiert sei. Detlev weicht aus und versucht seinerseits etwas über Felix herauszubekommen. Detlevs einfühlsames und verständnisvolles Wesen imponiert Felix. Er denkt gar nicht mehr daran, dass es ja eigentlich seine Mutter war, der Detlevs Aufmerksamkeit galt. Das Kind und der erwachsene Mann freunden sich an. Er bittet Detlev sogar indirekt um Rat, wie er sich aggressiven Mitschülern gegenüber verhalten solle. Detlev rät, ohne die konkrete Situation zu kennen, sich zu wehren. Manchmal könne es auch richtig sein sich zu prügeln. Am Abend funkt Felix Angelika von seinem Baumhaus aus an. Doch er bekommt keine Reaktion. Später funkt ihn eine total aufgelöste Angelika an. Ihre Mutter hat sich nach einem Streit mit ihrem Vater betrunken und das Mädchen geschlagen. 4 In der Schule berichtet Angelika ihrem Freund von den traurigen Ereignissen des letzten Abends. Als es nach Schulschluss wieder zu einem Streit mit Jürgen und Rüdiger kommt, ist Angelika dabei. Felix will, dass sie weitergeht, weil er vor ihr keine Schwäche zeigen will, doch statt dessen beschimpft sie Jürgen und Rüdiger als Feiglinge. Daraufhin fallen die beiden über Angelika her und verletzen sie im Gesicht mit einem Messer. Da fällt Felix die beiden von hinten an und wird schlimm verprügelt. Noch viel schlimmer allerdings ist, dass die Schüler Felix’ heiß geliebten Teddy Balthasar in seiner Schultasche ausfindig machen und vor den entsetzten Augen des Jungen verbrennen. Gemeinsam gehen Angelika und Felix später zum Baumhaus. Angelika ist der erste Mensch, den Felix in sein Geheimnis einweiht. Voller Zorn schwört Felix Rache. Das Mädchen versucht ihn zu beruhigen. In der Abgeschiedenheit des Baumhauses kommt es schließlich auf Angelikas Initiative zu Zärtlichkeiten zwischen den beiden. Felix fühlt sich dabei jedoch überrumpelt und sehr unsicher. Er verlässt in Panik das Baumhaus und geht wortlos nach Hause. 5 Zu Hause gibt es Ärger mit der Mutter, die Probleme mit ihrem Ex-Freund hat. Sie sieht Felix’ Verletzungen und versteht nur, dass er sich geprügelt hat. Sie bestraft ihren Sohn mit Stubenarrest. Felix droht damit, zu seinem Vater zu ziehen. Detlev kommt um Annett zu einer Verabredung abzuholen. Da er sich nur wenig für Felix interessiert, fühlt dieser sich verraten. Felix ruft seinen Vater an. Doch der wimmelt ihn ab. Allein in seinem Baumhaus schwört Felix Rache – all sein Hass konzentriert sich auf Rüdiger und Jürgen. Er will die beiden Jungen zerstören. 6 In der Schule geht Felix Angelika aus dem Weg. Jürgen und Rüdiger verspricht er, dass er ihnen Geld geben wird. Er habe nämlich einen Schatz – in seinem Baumhaus. Am Sonnabend Abend sollten sie an einer verabredeten Stelle auf ihn warten. Dann werde er ihnen das Geld geben. Sie sollten niemandem davon erzählen. Am Abend kommt Angelika zum Baumhaus. Felix lässt sie herein. Aber die Zärtlichkeiten vom Vortag stehen wie eine Mauer zwischen ihnen. In der Hoffnung, Felix damit aus der Reserve zu locken, fängt Angelika dann auch noch ein ungeschicktes Gespräch über sexuelle Dinge an. Felix geht in die Luft und wirft Angelika hinaus. Allein nährt er wieder Rachegedanken. Die Tatsache, dass sich die ganze Welt gegen ihn verschworen zu haben scheint, bestärkt ihn. 7 Am Sonnabend kommt Detlev zum Mittag. Während Annett noch dabei ist sich zurechtzumachen, führen Detlev und Felix ein Gespräch in der Küche. Detlev versucht den Eindruck zu erwecken, auch an Felix interessiert zu sein. Als Annett auftaucht und ihr Gespräch unterbricht, empört sich Felix wütend. Obwohl eigentlich geplant war, dass sie den Nachmittag zu dritt verbringen würden, schaltet Felix jetzt auf Stur. Er wolle lieber alleine zu Haus bleiben und ihnen nicht den Spaß verderben; er störe ja doch nur. Am Nachmittag kauft Felix auf einer Autobahn-Tankstelle, die er „von hinten“ mit dem Fahrrad erreicht, einen Kanister mit Benzin und tränkt sein ganzes Baumhaus damit. Seine Utensilien hat er vorher entfernt. Abends kommt er heim – zum Zeitpunkt der Verabredung mit Jürgen und Rüdiger – und ertappt seine Mutter beim Liebesspiel mit Detlev. Er verlässt ungesehen das Haus. Jürgen und Rüdiger warten bereits ungeduldig am Treffpunkt. Felix lockt sie in eine tödliche Falle: Unter dem Vorwand, dass er in seinem Baumhaus Geld versteckt hat, ganz viel Geld sogar, das er ihnen geben will, wenn sie ihn ein für allemal in Ruhe lassen, führt er sie in sein Baumhaus, veschwindet durch die Dachluke, die er mit einem Schloss verriegelt, und setzt mit einem Streichholz das Baumhaus in Brand. Den Einstieg unten verbarrikadiert er mit einem dicken Balken. Die beiden Jungen haben keine Chance. Zu Hause schleicht sich Felix an seiner Mutter und ihrem Liebhaber vorbei in sein Zimmer. 8 Am nächsten Morgen erzählt Annett ihrem Sohn von dem furchtbaren Unglück. Kurz darauf erscheint die Polizei. Sie hat herausgefunden, dass Felix mit den beiden toten Jungen bekannt war. Felix spielt seine Rolle als Unschuldsengel perfekt. Dann bemerkt er, dass er eine Anstecknadel vom Krimiclub der drei ??? im Baumhaus vergessen haben muss. Er fürchtet, dass sie ein Beweismittel sein könnte. Am Tatort trifft er Detlev, der für das Regionalfernsehen in der Nacht einen Bericht gemacht hat und jetzt einen Nachbericht machen will. Felix soll an einem Interview mitwirken. Sein reserviertes Verhalten lässt Detlev Verdacht schöpfen. In einem Versteck wartet der Junge, bis Detlev und der Kameramann verschwunden sind. Die Brosche findet er nicht. Am Abend schauen Felix und seine Mutter gemeinsam fern. Es wird von dem Verdacht berichtet, dass die Jungen Opfer eines Mordes geworden sein könnten, da ein Schloss gefunden wurde, das geschlossen war. Außerdem gebe es Hinweise auf Benzin. Detlev entwickelt im Fernsehen die These, dass die Jungen Benzin in der Hütte gehortet haben könnten um selbst etwas in Brand zu stecken und dann beim Rauchen Opfer ihrer mangelnden Vorsicht geworden seien. (Zigaretten hatte Felix zur Tarnung im Baumhaus zurückgelassen.) 9 Am Montag gibt es in der Schule eine Ansprache des Schulleiters anlässlich des Todes von Jürgen und Rüdiger. Überall herrscht große Betroffenheit. Als die Presse Felix erneut um ein Interview bittet, sagt Felix unvorsichtigerweise, die beiden seien „A...löcher“ gewesen. Einem Gespräch mit Angelika geht Felix konsequent aus dem Weg. Nachmittags kommt erneut die Polizei. Sie verhört Felix, weil sie sein Verhalten verdächtig findet. Beweise gibt es jedoch nicht. Annett bestätigt, dass Felix zur Zeit des Brandes wegen Stubenarrest zu Hause gewesen sei. (Felix hatte mit einer abgeschlossenen Zimmertür den Eindruck erweckt sich beleidigt eingeschlossen zu haben.) 10 Am Abend funkt Angelika Felix an und bittet mit Nachdruck um ein Treffen. Felix schleicht sich aus dem Haus und trifft sich am Ort des Brandes mit ihr. Angelika spricht offen aus, dass sie glaubt, Felix habe die beiden in eine höllische Falle gelockt. Er leugnet und geht weg. 11 Felix geht mit zur Beerdigung der beiden Jungen und muss mit ansehen, wie ihre Mütter unter dem Verlust leiden. Polizei und Medien – auch der Pfarrer – sprechen inzwischen von einem tragischen Unfall. Nach einem unerfreulichen Telefongespräch, das seine Mutter in Felix’ Beisein geführt hat, erfährt Felix, dass es mit Detlev „aus“ sei und sie sich mit Martin, dem verhassten Ex-Freund, versöhnt hat. Allein in seinem Zimmer weint Felix. 12 Ein paar Tage später: Felix bekommt Post. Ein anonymer Absender hat ihm seine halb verkohlte ???-Anstecknadel geschickt und bittet ihn um ein Treffen an einem neutralen Ort. Felix verdächtigt Angelika und fährt zu ihr. Er stellt sie zur Rede. Doch sie hat die Brosche nicht geschickt. Endlich kann sich Felix jedoch nun jemandem anvertrauen. Er berichtet Angelika von den unermesslichen Seelenqualen, die er seit dem Tod der beiden Jungen auszustehen hat, obwohl er immer noch der Meinung ist, dass sie den Tod verdient hätten. Er fühle sich völlig zerrisen zwischen Scham, Schuld und Wut. 13 Der Absender des Ansteckers ist Detlev. Felix trifft sich in einem Restaurant mit ihm. Detlev entschuldigt sich dafür, dass er Felix das Gefühl gegeben habe, er sei ihm nicht wichtig gewesen, sondern nur seine Mutter. Er habe etwas Schlimmes getan, sagt ihm Detlev. Er sei aber nicht hier als sein Richter und schon gar nicht als sein Henker. Denn sein Verhalten, so Detlev, ihm gegenüber und auch seiner Mutter gegenüber sei auch nicht moralisch einwandfrei gewesen. Zu einwandfreiem Verhalten seien Menschen letztlich gar nicht fähig. Das lerne auch Felix wohl gerade. Er habe etwas Böses getan und sei vielleicht selbst sein gesamtes weiteres Leben lang am meisten damit bestraft. Detlev werde das Geheimnis für sich behalten und es Felix’ eigener Verantwortung überlassen, wie er damit umgehen wolle. 14 Felix geht abends allein zurück auf den Platz des Geschehens und verflucht eine Welt, in der möglich war, was geschehen ist. Mit Tränen in den Augen bekennt Felix, dass ihm seine Tat nicht mal Leid tut. Ihm tun die weinenden Mütter der beiden Leid, und dass er sich deswegen schuldig fühlt, tut ihm Leid und dass er sein Baumhaus nicht mehr hat, dass die beiden es ihm genommen haben, auch; aber wenn er die beiden wieder lebendig machen könnte, er würde es nicht tun. Und dafür hasst er die Welt. 15 Zehn Jahre später: Felix kehrt als Erwachsener an den Tatort zurück. Er bilanziert noch einmal nüchtern, was geschehen ist. Die Sache ist vergessen worden und kein Hahn hat mehr danach gekräht. Nur die Stimme seines Gewissens ist ihm geblieben. Sie mahnt und ruft und diese Stimme wird er nicht los. Das ist, Detlev hatte es prognostiziert, der Preis, den er zahlen muss – aber das Geheimnis wird er für sich behalten. Und Angelika, die er besuchen wird – sie sind kein Paar geworden – wird auch weiter schweigen. Wem würde es schließlich nützen, die Wahrheit ans Licht zu bringen?

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